Die ganze sächsische Festspiellandschaft ist verstummt. Die ganze? Nein! Ein von unbeugsamen Künstlerinnen und Künstlern bewohntes Schloss war am letzten Mai-Wochenende ganz von Musik erfüllt. Die Batzdorfer Pfingstfestspiele haben sich ihren 23. Jahrgang nicht nehmen lassen und ein echtes Programm vor echtem Publikum präsentiert. Tom Quaas, Schauspieler, Regisseur und Initiator dieses beliebten Festes, hat gemeinsam mit seinen Mitstreitern ein Hygienekonzept voller Einbahnstraßen und Absperrungen entwickelt, auf dass die jahrhundertealten Mauern hoch über der Elbe zwischen Dresden und Meißen standesgemäß zum Hort der Kultur werden durften.
Mit der drastischen Einschränkung allerdings, dass pro Veranstaltung an Stelle von sonst mehr als 200 nur maximal 72 Gäste in den historischen Saal strömen konnten, der ebenso wie das gesamte Ambiente über Jahre hinweg in unermüdlicher Arbeit durch die heutigen, durchweg künstlerisch tätigen oder zumindest kulturaffinen Schlossbewohner restauriert worden ist. Dass sämtliche Aufführungen ausverkauft waren, lag auf der Hand – ebenso aber die Frage nach dem Gewinn, der diesmal wohl ausschließlich ideeller Natur gewesen sein dürfte. Mit Lesungen, Konzerten und der Komödie »Beethoven bei Nacht« hat man sich dem Jubiläum des Bonner Meisters gewidmet und so ein deutliches Zeichen in der verstummten Festspiellandschaft des Dresdner Elbtals gesetzt.
Nach langen Wochen der Absagen, Verschiebungen und ins Netz verlagerten Auftritte von Kunst und Kultur gibt es nun also erste Zeichen der Wiederbelebung. In Dresden war es just der ausschließlich privat finanzierte Comedy & Theater Club, der aus seinem 99 Plätze fassenden Barockkeller an der Hauptstraße zunächst mit viel Musik ins Autokino auf dem Flughafen ausgewichen und nun mit deutlich verringerter Platzkapazität wieder in den Keller eingezogen ist. Am Freitag gibt es dort sogar schon die erste Premiere, eine musikalische Show mit der hinreißenden Melanie Haupt.
Die großen, öffentlich subventionierten Tanker agieren naturgemäß schwerfälliger und setzen noch immer auf neue Angebote im Internet. Für Batzdorf und das schon legendäre Gesamtkunstwerk der Pfingstfestspiele kam das natürlich erst gar nicht in Frage. Dennoch muss es in diesem Jahr ein besonderer Kraftakt gewesen sein, die fünftägigen Festspiele zu realisieren. Aber sie haben es geschafft, hatten Lust auf gelebte Kunst und Kultur, trafen mit dieser Lust auf ein dürstendes Publikum, das beglückt werden wollte und es natürlich auch wurde.
Die 23. Batzdorfer Pfingstfestspiele standen ganz im Zeichen des großen Jubilars Ludwig van Beethoven. Gleich sechsmal gab es »Beethoven bei Nacht«, eine herrliche Drei-Personen-Komödie von Thomas Rau, die Tom Quaas gewohnt spritzig inszeniert; selbst eine rasch einberaumte Zusatzvorstellung war im Handumdrehen ausverkauft.
Dass Beethoven lebt und eine Aufführung seines »Fidelio« besuchen will, war nur eine Überraschung in diesem Stück. Olaf Hais spielt da einen wunderbar aufbrausenden Komponisten, Sophie Lüpfert und Cornelia Jahr sind in wechselnden Rollen als Polizistin, Beethovens Mutter, seine Zugehfrau und zum Schluss sogar als rettende Leonore zu erleben, am Klavier begleitet Mirjana Rajic das Ganze mit verschiedenen Beethoven-Themen und zwischendrin sogar mit dem Flohwalzer …
Aber auch das Programm drum herum hatte es in sich – ein Beethoven gewidmetes Klavierkonzert, ebenfalls mit Mirjana Rajic an den Tasten, eine von ihr begleitete musikalische Lesung »Kiki van Beethoven« mit der großen Monika Hildebrand in einem zu Herzen gehenden Text von Éric Emmanuel Schmitt, nicht zuletzt dann auch herber Zeitbezug bei »Die Liebe in Zeiten der Pest«, einem literarischen Verschnitt von Boccaccios »Decamerone« mit Beethovens Brief an die Unsterbliche Geliebte , zu Posaunen-Improvisation von Ercole Nisini gelesen von Tom Quaas.
Wer nun nicht ein ganzes Jahr lang auf das nächste Gesamtkunstwerk warten mag, darf sich schon mal auf die Barockfestspiele in der ersten September-Woche freuen, das Musikfest der Batzdorfer Hofkapelle.