Marek Janowski und die Dresdner Philharmonie – eine lange Geschichte. Denn der 1939 in Warschau geborene Musiker war schon einmal Chefdirigent des Orchesters, von 2001 bis 2003. Weil damals das Versprechen der Stadt für einen neuen Konzertsaal nicht gehalten wurde, man kann das auch einen eklatanten Betrug nennen, verließ er Dresden – und kam zur Saison 2019/20 wieder zurück, weil es nun endlich den neuen Saal gab und das Orchester ihn erneut umworben hatte. Eineinhalb Jahre später, Ende November 2020, hat er seinen Vertrag bis einschließlich 2022/23 verlängert und verbindet dies mit großen Plänen.
Große Pläne, in just diesen Zeiten? – Gerade in Zeiten wie diesen dürfte es besonders wichtig sein, eine Perspektive zu haben und zu wissen, wie es weitergeht, hoffentlich bald weitergehen kann. So ähnlich mag sich das Marek Janowski gedacht haben, als er jetzt seinen Vertrag als Chefdirigent der Dresdner Philharmonie um ein weiteres Jahr bis zum Sommer 2023 verlängert hat. Er verbindet diese zusätzliche Spielzeit zudem mit außergewöhnlichen Vorhaben. Seine Entscheidungen hat der Maestro gründlich bedacht: „Ich finde, dass jemand, der sein achtes Lebensjahrzehnt begonnen hat und gesundheitlich, was die speziellen Erfordernisse eines Dirigenten in der Arbeit mit einem Orchester betrifft, in absolut guter Verfassung ist, dass ich da ganz gut beieinander bin.“
Er weiß und bedenkt freilich auch, „dass man in der Verantwortung für das Orchester an eine nicht so ferne Zukunft denken muss, wo man vielleicht nicht mehr so fit wäre.“ Deswegen nur ein weiteres Jahr Dresden. Üblich im Orchesterbetrieb sind Verträge für drei, vier oder auch fünf Jahre. Janowski hat sich dagegen entschieden: „Zu einer Chefverantwortung gehört eben auch, darüber nachzudenken, was ist, wenn man es nicht mehr selber macht. Drei weitere Jahre nach 2022, das wäre – nicht nur in Bezug auf mein Alter, sondern auch in Bezug auf die konzeptionelle Verantwortlichkeit, um das Orchester in eine Nach-Corona-Zukunft zu führen – besser, wenn das ein Jüngerer als ich realisiert.“
Ganz gewiss gibt es jetzt Stimmen, die meinen, in dem zusätzlichen Dresdner Janowski-Jahr sollte wohl nachgeholt werden, was 2020 Pandemie-bedingt ausfallen musste. Aber dem widerspricht der Maestro: „Für das Publikum sind drei Viertel dieser Saison weggeblieben, vielleicht sogar ein ganzes Jahr. Für meine Arbeit mit dem Orchester glücklicherweise nicht, da wir Sendemöglichkeiten im Rundfunk gehabt haben und diese auch künftig haben werden, ebenso wie die Möglichkeit, neue CDs zu produzieren.“
Ein Glücksfall für Marek Janowski und die Dresdner Philharmonie. Denn sie sind nicht verstummt. Deutschlandfunk und MDR Kultur haben mehrfach Konzerte aus dem publikumsfreien Kulturpalast übertragen und werden am 29. November auch das Festkonzert zum 150jährigen Bestehen des Dresdner Bürgerorchesters ausstrahlen. Was einerseits wichtig ist für den Kontakt zum Publikum, andererseits auch dem Bedürfnis des Orchesters nachkommt, wieder gemeinsam zu musizieren.
Während im Moment nur Pläne für die kommenden Wochen und Monate geschmiedet werden können, soll in der Saison 2022/23 Großes angegangen werden. Sogar, was aus heutiger Sicht undenkbar erscheinen mag, eine Asien-Tournee. Marek Janowski sieht das recht pragmatisch: „Ich bin kein großer Freund von Orchestertourneen, das weiß das Orchester auch. Ich habe unendlich viele Tourneen mit meinem Pariser Orchester unternommen, auch mit meinem Berliner Orchester. Das reicht mir eigentlich aus. Aber ich habe der Philharmonie fest versprochen, wir machen im Spätherbst 2022 eine Reise nach Japan.“
Und auch ein konzertanter »Ring des Nibelungen« von Richard Wagner steht auf den Vorhaben für Janowskis Zusatz-Saison. Ursprünglich sollte der im Herbst ’21 gestemmt werden. Aus organisatorischen Gründen war das nicht möglich und wurde verschoben. Auf Janowskis bisherigen Vertrag bezogen hätte das bedeutet, dass er den »Ring« schon als Gastdirigent gemacht und somit das erste Drittel der Saison 2022/23 probentechnisch fast vollkommen abgedeckt hätte. Auch deswegen habe er zugestimmt, die komplette Saison in Dresden zu bleiben. „Dann haben das Orchester und die Intendanz mehr zeitlichen Spielraum, sich um eine Nachfolge für mich zu bemühen. Denn dieses Orchester hat das Recht auf eine Leitungsfigur, die große künstlerische Kompetenz besitzt.“
Einen Plan B gibt es einstweilen nicht, obwohl im Moment nur „auf Sicht“ gefahren werden kann. Doch Marek Janowski will endlich wieder normal planen. Auch für die eigene Zukunft, um die es dem Maestro nicht bange ist: „Ich werde, wenn ich noch gut im Takt bin, mich kulturpolitisch auch weiter einmischen. Aber nach dieser Dresdner Zeit, das ist ganz sicher, wird es nirgendwo mehr eine Chefbeschäftigung für mich geben.“