Im Februar vergangenen Jahres begaben sich die Geigerin Nora Scheidig und die Pianistin Cristina Allés Dopico, zwei junge Dresdner Musikerinnen, für die Aufnahme ihrer ersten CD ins Studio. In der Aula des Landesgymnasiums für Musik Carl Maria von Weber, das Nora Scheidig einst selbst besuchte, widmeten sie sich einer Auswahl romantischer und spätromantischer Kammermusikwerke, die ihre beiden Heimaten erkundet. Der Leipzigerin Clara Schumann und ihrem Mann Robert aus Zwickau begegnen zwei Andalusier, der aus Sevilla stammende Joaquín Turina und der in Cádiz geborene Manuel de Falla. Die beiden Spanier lernten sich 1902 in Madrid kennen und gingen später nach Paris und so verströmen die gewählten Stücke auch ihr ganz eigenes französisch-impressionistisches Flair.
Dopico und Scheidig verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, was man der CD anhört. Als Duo Dopico treten sie seit gemeinsamen Studientagen an der Dresdner Musikhochschule regelmäßig auf. Aus dem gemeinsamen Musizieren entstand der Wunsch, eine CD zu produzieren, welche sie in Eigenregie verwirklichten. Mittels Crowdfunding fanden sie zahlreiche Unterstützer für ihr Projekt. Für die edlen Spenderinnen gab es als Gegenleistung signierte CDs, eine Einladung zu einem Releasekonzert im September, und für besonders Spendable Wohnzimmerkonzerte, die allerdings genauso wie die Konzerttournee auf eine Zeit nach Corona verschoben werden mussten.
Die CD lotet das kammermusikalische Spektrum für Violine und Klavier zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Schwelle der Moderne aus. Clara Schumanns »Drei Romanzen« op. 22 aus dem Jahre 1853 ist hier sicherlich das ungebrochen romantische Stück im Reigen. Wie in einem Lied ohne Worte singt die Geige zur Begleitung des Klaviers. Die zwei Jahre zuvor entstandene erste Sonate für Geige und Klavier ihres Ehemanns ist die erste von drei Violinsonaten. Auffällig ist, dass Schumann erst in seinen Düsseldorfer Jahren als anerkannter Kapellmeister am Rhein zu dieser klassischen Gattung findet. Zugleich ist diese erste Sonate auch eine Selbstverortung des gereiften Komponisten. Gerade der dritte Satz, den Clara „störrisch“ nannte, fordert Interpreten immer wieder mit den rabiaten Wechseln zwischen geisterhaften Pseudo-Kanons und sentimentalen Einschüben heraus.
Bei den beiden befreundeten Komponisten aus Andalusien begegnet man dieser Spannung zwischen Melodie und Form mehr als ein halbes Jahrhundert später erneut. Bei der »Suite populaire espagnole« handelt es sich um eine bei Geigern beliebten Bearbeitung von de Fallas »Siete canciones populares españolas« aus dem Jahr 1914. Die fehlenden Worte sind hier dem Bearbeiter Paul Kochanski geschuldet, der die Lieder-Suite kurzerhand für die Geige adaptierte. Die komplementäre Sonate von Jaquín Turina, komponiert 1926, ist das jüngste Stück auf der CD. Es ist ein großes Verdienst, sich für diesen hierzulande viel zu wenig bekannten Komponisten einzusetzen. Bei Turina klingt seine Erfahrung als Opernkomponist durch, doch betont er bei aller Theatralität, vor allem im Klavierpart, und Gesanglichkeit eben vor allem das originär Instrumentale der Geige.
Duo Dopico bietet einem Ausflug für den heimischen Ohrensessel, nicht nur ins gerade unerreichbare Andalusien und in die inneren Welten der deutschen Romantik, sondern auch in die Geschichte und Möglichkeiten einer Gattung. Hämmernde Rhythmen und sich sehnende Kantilenen wechseln sich auf dieser Reise ab – die beiden Musikerinnen laden dazu ein, die europäische Dimension der Romantik zwischen Zwickau und Cádiz neu zu entdecken.
(Titelfoto: Anne Hornemann/Björn Kadenbach)