Wir schreiben das Jahr 2021. Dresden entdeckt das Internet und findet viele schöne Möglichkeiten darin. Man mag es kaum glauben, wie schnell sich diese Stadt der Traditionen mit den Errungenschaften der weltweiten Neuheiten arrangiert. Die Sächsische Staatsoper traut sich auch gleich was und produziert Mozarts »Zauberflöte« für ein weltweites Bildschirmpublikum. Dabei hatten die Dresdner Musikfestspiele das ja schon vorgemacht und bereits im ersten C-Jahr nichts verschlafen. Aus dem Total-Ausfall des Musikfestes wurde eine wacklige Angelegenheit ins weltweite Netz gestreamt.
Damals hätte wohl niemand für möglich gehalten, dass sich diese Ausnahmesituation so lange fortsetzen würde. Doch wie in der Musik gibt es auch im wirklichen Leben ein Auf und Ab, also auch mehrere Wellen, die kein Mensch gebraucht hätte.
Die 44. Musikfestspiele – wir schreiben das Jahr 2021 – werden wohl auch nicht so stattfinden können, wie sie geplant waren. Längst gibt es Absagen und Aufschiebungen von diversen Konzerten. Gut möglich, dass dieses Festival diesmal zehn Tage später anfangen wird, aber nicht ganz und gar abgesagt werden muss. Am Gesamtkonzept soll jedenfalls noch festgehalten werden, heißt es, obwohl die pandemisch bedingten politischen Maßgaben längst viel Pessimismus verbreiten.
Quasi als Flucht nach vorn geht Dresden nun rasch elbaufwärts nach Hamburg und wird die – bereits aus dem vergangenen Jahr aufgeschobene – Uraufführung des Kompositionsauftrags an William Blank immerhin für ein virtuelles Konzerterlebnis realisieren. Kommenden Freitag soll das »Alisma« betitelte Tripelkonzert des 1957 in Montreux geborenen Komponisten durch das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano uraufgeführt werden. Solistisch werden Mira Wang an der Violine, Jan Vogler am Cello sowie Daniel Ottensamer an der Klarinette mitwirken.
Die Dresdner Philharmonie hingegen arbeitet zwar auch digital, wird ihre jüngste CD mit Sergej Prokofjews »Peter und der Wolf« in den kommenden Tagen jedoch ganz real an die Schülerinnen und Schüler ihrer Partnerschule im Stadtteil Gorbitz verteilen. Ein echter Termin, zu dem neben der Intendantin Frauke Roth auch Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch sowie Konzertmeister Wolfgang Hentrich und Sprecher Malte Arkona zugegen sein werden. Letztere hat die CDs auch signiert und wird sie den Kindern persönlich überreichen. – Wenn das keine Geste ist!
Vielleicht, aber das ist noch nicht so ganz sicher, wird die Semperoper nach ihrer nur zur Premiere vor spärlichem Publikum und dann gleich wieder abgesetzten »Zauberflöte« nun auch die für den 8. Mai geplante Premiere der Richard-Strauss-Oper »Capriccio« ins Netz setzen. Denn nach den jüngsten Maßgaben wird eine reale Vorstellung dieser Inszenierung von Jens-Daniel Herzog wohl erst einmal nicht stattfinden können.
Dabei gibt es auch andere Möglichkeiten, um Bühnenprojekte zu adaptieren: Die Staatsoper Hamburg etwa hält daran fest, die Kammeroper »Weiße Rose« des Dresdner Komponisten Udo Zimmermann zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl in der Regie von David Bösch umzusetzen. Dazu wird ein ganz neues Darstellungsgenre kreiert: Graphic Opera. Marie-Dominique Ryckmanns und Michael Fischer werden als Sophie und Hans Scholl in diesem Filmprojekt mitwirken, das Arte TV zum 100. Geburtstag der Widerstandskämpferin Sophie Scholl am 9. Mai ausstrahlen wird. – Hatte Dresden nicht auch mal geplant, sich diesem Thema zu widmen?