Und plötzlich scheint alles wieder ganz rasch zu gehen: Zurück zu einer Normalität, die möglicherweise auch schon zuvor alles andere als normal gewesen sein könnte. Aufbruch hier und Aufbruch da, alles scharrt in den Startlöchern und kaum jemand denkt noch daran, dass erst vor kürzester Zeit ein auch medial ausgetragener Streit darüber die Schlagzeilen bestimmte, ob an der Semperoper nun öffentliche, halböffentliche oder womöglich für Publikum ganz geschlossene Konzerte wieder stattfinden können oder nicht.
Die Tondichtung »Ein Heldenleben« von Richard Strauss stand ja bereits vor einigen Wochen zur Disposition, durfte da aber nicht aufgeführt respektive eingespielt werden. Am letzten Mai-Wochenende war dies nun aber doch möglich und konnte der für diese Spielzeit geplante Strauss-Zyklus wenigstens ansatzweise fortgeführt werden. Aber was heißt hier schon ansatzweise, wo doch ein fulminantes Konzerterlebnis erarbeitet wurde? Zwar konnte noch kein Publikum der Einspielung beiwohnen; dafür aber alles in allem elf Kamerateams.
Gesangsstücke von Richard Strauss machten den Anfang. Nicht die wieder und wieder erklingenden »Vier letzten Lieder«, sondern ungemein virtuose Kompositionen zu Texten von Clemens Brentano und Gottfried August Bürger. Die Sopranistin Erin Morley hatte diese Auswahl mit vorgeschlagen und zeigte sich bestens dafür prädestiniert.
Zu einem besonderen Glanzpunkt entwickelte sich ein unvollendeter Strauss-Entwurf, den er im hohen Alter zu einem Text von Hermann Hesse verfasste, jedoch nicht mehr fertiggestellt hatte. Diese Aufgabe übernahm nun der Komponist Thomas Hennig, dessen »Nacht« den Strauss-Klang bestens widerspiegelt.
Dann aber das vieldeutige und immer auch wieder unterschiedlich ausgedeutete Opus »Ein Heldenleben« – was für eine Wucht im konzeptionellen Ansatz, welch kammermusikalische Schönheit, verbunden mit exzellentem Virtuosentum, wofür Konzertmeister Matthias Wollong als Primus Inter pares genannt werden müsste. Und nicht zuletzt die nahezu eins zu eins auslegbare Binnendramaturgie dieser bombastischen Klangwelt!
Nachzuholen ist dieses Konzerterlebnis für Normalsterbliche dank Arte Concert nun auf ebendieser kleinen Berichtsseite (siehe oben) sowie zu einem späteren Zeitpunkt auch im Fernsehprogramm dieses europäischen Kulturpioniers. MDR Kultur sendet das Konzert am 1. Juni um 20.05 Uhr in seinem Hörfunkprogramm. Das Wiener Konzertpublikum darf die Sächsische Staatskapelle bereits am kommenden Wochenende zu zwei öffentlichen Aufführungen erleben.
Programm
Richard Strauss
»An die Nacht« op. 68/1
»Ich wollt ein Sträußlein binden« op. 68/2
»Säusle, liebe Myrthe!« op. 68/3
»Muttertändelei« op. 43/2
»Als mir dein Lied erklang« op. 68/4
»Amor« op. 68/5
Thomas Hennig
»Nacht« für Singstimme und Orchester, nach einem Gedicht von Hermann Hesse inspiriert durch Klavierskizzen von Richard Strauss (Uraufführung)
Richard Strauss
»Ein Heldenleben« Sinfonische Dichtung op. 40