Komponist, Dirigent, Intendant – der Dresdner Künstler Udo Zimmermann war eine Mehrfachbegabung und wollte sich stets auch so verstanden wissen. Seine Werke, die Opern vor allem, sind vielfach aufgeführt worden, zumeist sehr erfolgreich. Er hat mit so ziemlich allen namhaften Orchestern gearbeitet und war als Gast respektiert. Vor allem aber hat er als Intendant der Oper Leipzig, später an der Deutschen Oper Berlin sowie beim Europäischen Zentrum der Künste Hellerau für Aufsehen gesorgt.
Eine böse Erkrankung ließ den einst so umtriebigen Zeitgenossen schon vor längerer Zeit verstummen. Am heutigen 22. Oktober ist er ihr in seiner Geburtsstadt Dresden achtundsiebzigjährig erlegen.
Udo Zimmermann wollte Weltbürger sein. Zu Hause in der Welt der Musik, geprägt von einem musischen Elternhaus und von seinen frühen Jahren im Dresdner Kreuzchor zu Zeiten von Rudolf Mauersberger. „Ich könnte mir gar nicht vorstellen,“ hat er auf diese Prägungen zurückblickend einmal gesagt, „dass man Künstler ist und keinen Glauben hat, an was auch immer.“
Er glaubte, nicht zuletzt an sich selbst, und setzte mit großem Ehrgeiz und einer Menge Talent alles daran, sich mit den Mitteln der Kunst einzubringen und mitzumischen, wenn es um die lebensnotwendigen Fragen von Humanität und von Frieden ging. Diese Haltung machte ihn über viele Jahre hinweg zu einem streitbaren Zeitgenossen: „Die Humanität, die auch die Lebensmaxime bestimmt, in dem Borchertschen Sinne, stell dich mitten in den Regen und versuche, gut zu sein.“
Mit seinem musikalischen Schaffen, insbesondere der häufig gespielten Kammeroper »Weiße Rose« um das Schicksal der Geschwister Scholl, hat Udo Zimmermann anregen wollen zum aktiven Mitdenken, zum Widerspruchsgeist. „Sag nicht, es ist fürs Vaterland …“ ist einer der Kernsätze darin, gültig jederzeit und überall auf der Welt.
Nicht alle seiner sechs Opern sind so aktuell geblieben wie die »Weiße Rose«, die weit über 200 Mal inszeniert worden ist. Erfolgreich und wirkungsvoll waren aber auch Zimmermanns zahlreiche Instrumental- und Vokalwerke, die während der deutschen Teilung mitunter in Ost und West nahezu zeitgleich aufgeführt wurden. In solchen Dingen war Zimmermann stets ein geschickter Manager seiner selbst, lotete aus, was möglich war, um das eben noch unmöglich Scheinende als Maßstab zu setzen.
Seine wohl schaffensreichsten Jahre verbrachte er in seiner Geburtsstadt, wo er eine Stelle als Dramaturg für zeitgenössisches Musiktheater an der damaligen Staatsoper sowie eine Professur für Komposition an der Musikhochschule erhielt und 1986 das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik ins Leben rief. Das Haus in der Schevenstraße avancierte rasch zu einer Begegnungsstätte zwischen Ost- und Westeuropa. Parallel dazu leitete Zimmermann die Werkstatt für zeitgenössisches Musiktheater an der Oper Bonn; grenzüberschreitende Verbindungen weit über das Deutsch-Deutsche hinaus waren dem bekennenden Europäer schon frühzeitig sehr wichtig.
Nachdem er 1990 das Intendantenamt der Oper Leipzig antrat, ist, litt Udo Zimmermann unter dem Manko, zum Komponieren keine Zeit mehr zu finden: „Das ist kein leichtes Verhalten für mich selbst und es hat auch ein bisschen Frustration, dass ich nun den Weg bereite für Künstler, selber Künstler seiend, und ihnen die besten Bedingungen schaffend.“ Da klingt eine Spur Bitterkeit an, die freilich auch als Preis enormer Erfolge gesehen werden kann, die den Komponisten hoffen ließen: „Es ist in Leipzig sehr viel passiert. So dass ich denke, je mehr eine Oper wieder funktioniert, werde ich dazu kommen, man wird dann zunehmend mehr hören. Weil ich der Künstler bleiben muss.“
In diesem Spagat zwischen schlagzeilenträchtiger »Oper im Aufwind« mit unvergesslichen Produktionen und einem oft sehr avancierten Ansatz geriet Zimmermanns eigenes Schaffen mehr und mehr in den Hintergrund. Trotz anderslautender Absicht: „Also es ist schon so, dass ich neben diesem schöngeistigen Verwaltungsbeamten eines doch unbedingt erhalten muss – diese Kreativität, dieses vitale Musizieren. Ich darf kein Schreibtischtäter werden. Ich denke, dass der Komponist doch hier und da wieder mit Stücken kommt.“
Ein halbes Dutzend Werke des Zimmermannschen Musiktheaters lag da zwar bereits vor und war an den Bühnen durchaus präsent. Erinnert sei nur an »Levins Mühle«, »Die wundersame Schustersfrau« sowie »Der Schuhu und die fliegende Prinzessin«. Überaus wichtig war dem Komponisten in jenen Jahren aber die Oper »Gantenbein« nach dem gleichnamigen Roman von Max Frisch. Sie wurde angekündigt, verschoben, wieder angekündigt, nochmals verschoben. Fertiggestellt wurde sie nie.
Nach den elf so erfolgreichen Jahren in Leipzig wechselte Udo Zimmermann als Generalintendant an die Deutsche Oper Berlin – und scheiterte rasch am Filz der dortigen Kulturpolitik.
Aber mit einer ihm immer wieder nachgesagten Stehauf-Mentalität rief er umgehend das Europäische Zentrum der Künste Hellerau als „Grünen Hügel der Moderne“ aus. Bis 2008 leitete er dort, was er einst mit dem Dresdner Zentrum ins Leben gerufen hat. Und betrieb eine weitere Parallele mit der musica-viva-Reihe des Bayerischen Rundfunks in München, die er revitalisierte und 14 Jahre lang leitete, in denen 174 (!) Uraufführungen herauskamen.
Zum Komponieren kam er eigentlich erst wieder, als er frei war von all diesen Posten und auch nicht erneut als Präsident der Sächsischen Akademie der Künste kandidierte. Es entstanden tatsächlich noch neue Werke, der Komponist war aber schon von einer Krankheit gezeichnet, die seine Kreativität bald dauerhaft lähmte. Was er zunächst gar nicht wahrhaben wollte und gern weiter nach vorn gestürmt wäre: „Ja weiter, weiter. Das ist wahrscheinlich auch das Sinnvollste. Mit einem Ziel sich nicht verlassen müssen auf andere, sondern auf sich selbst. Das fordert ja Gottvertrauen jede Menge.“