Meine Wahrnehmung ist: der Dresdner Gedenktag, der dreizehnte Februar, wandelt sich allmählich. Von einem Erinnern an den Luftangriff und der Trauer über die zehntausenden Opfer in der Stadt finden die Dresdner allmählich in ein verinnerlichtes Gedenken, das eigentlich keine schier überwältigenden Gesten, weiße Rosen, Menschenketten und riesige Kerzenbilder vor der Frauenkirche mehr bräuchte – und vor allem auch dahinstrebt, der klagenden Dresdner Innenperspektive andere Blickwinkel beizustellen. Schließlich geht das Nachdenken nun auch in die Zukunft. Wie lassen sich sinnlose Kriege verhindern, Krisen schlichten, wie kann Menschen in Not geholfen werden? Diese Themen sind – das muss nicht betont werden – aktueller denn je.
So wird der diesjährige Internationale Friedenspreis »Dresden-Preis« der Friends of Dresden und der Semperoper dieses Jahr an einen Rechtsanwalt verliehen, der sich für die Einhaltung globaler Klimaziele einsetzt. Und die Gedanken wandern eben nicht nur zurück zu jenem 13. Februar 1945, sondern noch einige Tage weiter, zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27. Januar). Und – vielleicht noch wichtiger – man denkt leise auch die Politik der zwölf Jahre vor der Bombennacht mit. Umso peinlicher die Geschichtsvergessenheit rechter Demonstranten, die dieses Jahr zu Wagnerklängen aufmarschierten.
Warum es bei der Staatskapelle dieses Jahr (zum ersten Mal zum Gedenkkonzert, oder?) ausgerechnet Bruckners »Neunte« und am Ende noch das »Te Deum« sein sollte, erschließt sich auch nach dem Erleben nicht. Für die Ewigkeit kann’s nicht gewesen sein: Thielemann und die Kapelle haben die Sinfonie bereits in Salzburg exemplarisch aufgenommen.
Einige der damaligen Stimmführer, viele der damaligen Musikerinnen und Musiker sitzen wieder an den Pulten. Einzig der Konzertmeister des Abends ist ein Wimpernzucken wert: aus Düsseldorf ist Dragon Manza ausgeborgt, der dem Solistenquartett (Nylund, Zhidkova, Bruns, Selig), des »Te Deum« einen vergleichsweise schlanken und damit vom dicht webenden Orchester hörbar abweichenden Ton beistellt. Der Kontrast war überraschend, sogar ein bisschen wohltuend!
Aber: die neue Innerlichkeit und Achtsamkeit, die das bedeutungsschwere Datum abfordert, hätte der dramatisch tosenden Klänge des »Te Deum«, des Riesenchors hinter dem Orcehster nicht bedurft. Warum der Abend nicht einfach mit dem Adagio der Neunten schließen durfte? Mit den heimlichen Anklängen an das ‚Dresdner Amen‘, endlich mit dem gedämpften, blitzsauberen E-Dur-Bläserakkord, der in die lange, stille Pause hinein- und noch lange, lange nachwirkte?