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Musikalisches Gold vor Güldenem Käfig

Opulenz für Auge und Ohr. Die Premiere von Giuseppe Verdis »Aida« an der Dresdner Semperoper schien geradezu sehnsuchtsvoll erwartet worden zu sein. Um endlich wieder ganz große Oper erleben zu können? In den Rausch der Italianità einzutauchen? Oder um für drei klangvolle Stunden Musiktheater den grassierenden Zumutungen von Pandemie und Putin zu entfliehen?

Georg Zeppenfeld (Ramfis), Francesco Meli (Radamès). Alle Fotos: © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Der Krieg dieses Möchtegern-Zaren, der einst just in Dresden unrühmliche Zeiten als KGB- und Stasi-Spitzel zugebracht hat, darf in Russland nicht mehr als ein solcher benannt werden.  Wer den unsäglichen Angriff auf die Ukraine als Angriff bezeichnet, wird – eine rasche Gesetzesänderung macht’s möglich – mit martialischer Strafe bedroht. Zumindest knapp drei Minuten lang wurde das Grauen ins Bewusstsein der Premierengäste gerückt, indem die Nationalhymne des überfallenen Landes intoniert worden ist: „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben …“ Eine unmissverständliche Zeichensetzung, nicht mehr und nicht weniger. Welch ein Glück, dass deren Text nicht mit übersetzt worden ist.

Kammerspiel um Liebe in Kriegszeiten

Es war eine lang erwartete Premiere, endlich wieder ein Verdi auf der Bühne – und es wurde eine umjubelte Premiere. Gut drei Stunden nach dieser Hymne feierte das Publikum der Semperoper Verdis klangvoll ergreifendes Drama um die Liebe zweier Frauen zu einem Mann. Großes Musiktheater um unsterbliche Liebe in Zeiten von tödlichen Kriegen.

Krassimira Stoyanova (Aida), Quinn Kelsey (Amonasro), Sänger*innen des Sächsischen Staatsopernchores Dresden und des Sinfoniechores Dresden – Extrachor der Semperoper Dresden, Andreas Bauer Kanabas (Der König), Georg Zeppenfeld (Ramfis)

Bereits zu ihrer Entstehung anlässlich der Weihe des Suezkanals war diese Oper um historisch fingierte Schlachten zwischen Ägyptern und Äthiopiern von realem Kriegsgeschehen stark überschattet. Damals ist es der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 gewesen, heute der Feldzug des lupenreinen Diktators vom Kreml. In der »Aida«-Neuinszenierung durch die Schauspielerin Katharina Thalbach gibt es dazu freilich keinerlei Bezüge, schließlich stammt das Regiekonzept mit Sicherheit aus einer anderen Zeitrechnung. Heroische Schlachten und ruhmreiche Sieger werden freilich zur Genüge im Libretto von Antonio Ghislanzoni thematisiert, der in wiederum einer anderen Welt gelebt hat. Ebenso wie Giuseppe Verdi, der dazu eine ebenso emotionale wie spannungsgeladene Musik schuf.

Vor dem geschichtlichen Hintergrund der tatsächlichen und wahrhaftigen Schlachtengemälde gerät der Inhalt der Oper eher zum Kammerspiel. Der ägyptische Feldherr Radamès soll den Einmarsch äthiopischer Truppen niederringen.  Er liebt aber Aida, die gefangen genommene Tochter des feindlichen Königs, die ihrerseits der Pharaonentochter Amneris als Sklavin dient. Da auch diese potentielle Thronfolgerin Radamès begehrt, geraten zwei höchst ungleiche Frauen zu erbitterten Rivalinnen auf Augenhöhe. Radamès aber, der im Überschwang seiner Gefühle unabsichtlich sein Land verrät, wird vom göttlich grausamen Oberpriester Ramfis und seinen eilfertigen Sendboten zum Tode verurteilt und soll lebendig begraben werden. An diesem Schicksalsort erwartet ihn schon Aida, um wenigstens im gemeinsamen Liebestod mit ihm vereint zu sein. Erst in den letzten Takten dieser dennoch vielschichtigen Oper erkennt die ein wenig geläuterte Amneris die tiefen Gefühle der beiden und wünscht ihnen Frieden. Ein Einsehen, wie es die Menschheit allzu oft erst viel zu spät gefunden hat.

Berauschendes Musikfest

Oksana Volkova (Amneris), Krassimira Stoyanova (Aida)

Giuseppe Verdi schuf in einer bemerkenswert kurzen Schaffensphase großartige Musik für diese Oper. Ergreifende Arien und intime Duette bekennender Liebe  ertönen da ebenso wie emotionaler Furor und erbitterter Hass. Es brausen machtvolle Orchesterparts und wuchtige Chorszenen auf, ebenso jedoch auch zurückhaltendes Instrumentalspiel mit feinstens gezeichneter Psychologie. Unter der Leitung von Chefdirigent Christian Thielemann bieten die Sächsische Staatskapelle und der Sächsische Staatsopernchor ein enorm breites Klangspektrum, ein wahrhaft berauschendes Fest der Musik. Dahinein fügt sich ein exzellentes Solistenensemble, wie es sich wohl nur der Chef höchstpersönlich wünschen kann. Krassimira Stoyanova verleiht dem Titelpart mit ihrem wandelbaren, technisch wie emotional präzise geführtem Sopran eine große, betörende Innigkeit. Die Wärme ihrer Stimme ist geradezu herzzerreißend, so nahegehend wie ihr intensives Spiel. Als Aidas Gegenspielerin Amneris gibt Oksana Volkova die Furie, singt energiegeladen, als wollte sie Radamès allein mit ihrem kraftvollen Mezzo betören wollen. Den siegreichen Feldherren lässt das jedoch kalt, Francesco Meli verkörpert ihn als Strahle-Tenor mit schneidigem Klang und enthaltsamer Gestik.

Düster tönt Andreas Bauer Kanabas als nahezu starrwerdender Pharao, der zunehmend zum einsamen Despoten verkommt, beinahe schon mumienhaft, während Oberpriester Ramfis – deutlich düsterer noch und bitter finster unterm schwarzen Umhang auf gewaltigen Plateausohlen: Georg Zeppenfeld – die Geschicke mit heilig verbrämter Anmaßung in die Hand nimmt. Aidas Vater Amonasro soll als krudes Klischee einen Wilden darstellen und wird von Bariton Quinn Kelsey ebenso adäquat dargestellt wie Simeon Esper den Kriegsboten gibt.

Ägypten-Klischees ohne Tiefgang

Opulent sind natürlich auch das Bühnenbild und die Kostüme in der Ausstattung von  Ezio Toffolutti sowie die von Christopher Tölle choreografierten Ballettszenen. Prachtvolle Ablenkungsmanöver fürs Auge. Auch die vorgeführten Gefangenen sind Blickfang und wirken wie vom Blutbildner Hermann Nitsch entworfen. Der mitreißende Triumphmarsch tönt erhaben, ist aber optisch als Mix alter Abziehbilder aus Zigarettenalben und Asterix-Parodien gestaltet. Viel Bewegung im goldfarben zugebretterten Bühnenraum, der wirksam verkleinert worden ist, um einerseits Spielfläche zu schmälern, andererseits der Akustik aufzuhelfen. Die Szene steckt reichlich Versatzstücke historischer Ägypten-Klischees, da greifen Regie und Ausstattung ganz tief in die Klamottenkiste. Aktualisieren werden sollte das Werk nicht, es wird quasi vom Blatt erzählt, ist weder psychologisch ausgedeutet, noch von den Noten her. Die aber perlen so strahlend klangvoll durch den Raum, dass die unergründliche Oberflächlichkeit der Inszenierung geradezu vergessen werden kann.

Eine frühere Version des Textes ist am 7. März 2022 in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Oksana Volkova (Amneris), Andreas Bauer Kanabas (Der König), Georg Zeppenfeld (Ramfis), Tänzerinnen und Tänzer

Termine: 9., 13., 17. und 20. März, 3., 5. und 9. Juli 2022. Arte Concert sendet die Dresdner Neuproduktion am 13. März. Am 19. März findet im Kulturpalast um 10.30 Uhr ein Symposium zu »Aida« statt.

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