Omer Meir Wellbers Zeit als Erster Gastdirigent der Semperoper geht dem Ende entgegen. Mit einem Hauch von Nostalgie kehrt er seiner langjährigen musikalischen Wahlheimat Dresden den Rücken, um sich neuen Aufgaben widmen zu können. Dazu zählt die musikalische Leitung der Wiener Volksoper. Gemeinsam mit Lotte de Beer, die zur neuen Intendantin des Hauses bestellt ist, plant er eine Revolution an diesem den leichteren Musiktheater verpflichteten Haus. Der israelische Dirigent und die niederländische Regisseurin – beide sind 1981 geboren – stehen für eine neue Generation im Musiktheaterbetrieb. Diese Woche stellten sie gemeinsam in Wien ihren ambitionierten Plan für die neue Spielzeit vor.
Jede Spielzeit soll es eine Verknüpfung zweier Werke geben. Für die erste Spielzeit haben sie sich gemeinsam dafür entschieden, Tschaikowskis Nussknacker mit dessen Operneinakter »Jolanthe« zu verbinden. In den Worten der Regisseurin soll dies eine lyrisch-poetische Coming-of-age-Geschichte ergeben. Denkt man an Omer Meir Wellbers erfrischend unkonventionellen Umgang mit Mozart, darf man auch musikalisch auf diese Wiener Melange gespannt sein.
Im Gespräch ist Omer Meir Wellber sichtlich stolz auf das musikalische Team, das er in Wien um sich versammelt hat. Er hat sich bewusst dafür entschieden, einer Gruppe junger Dirigentinnen und Dirigenten Produktionsverantwortung zu übertragen. Fast alle jünger als der junge Chef. Da ist zum Einen Wellbers langjährige Assistentin Keren Kagarlitsky. Mit der Italienerin Manuela Ranno, die ihre Laufbahn als Sängerin begann, und dem Österreicher Tobias Wögerer bildet sie ein Team der Hausdirigenten, oder Conductors in Residence. Dazu kommen drei Principal Guest Conductors, die jeweils eine Neuproduktion übernehmen. Der junge Brite und Chef der Opéra de Rouen Normandie Ben Glassberg dirigiert Otto Nicolais Spielopern-Klassiker »Die lustigen Weiber von Windsor«. Der italienische Abbado-Schüler Carlo Goldstein, der bereits 2018 sein Debüt bei der Sächsischen Staatskapelle gab, studiert »Die Dreigroschenoper« ein. Und Alexander Joel, der in sich in Dresden mit Gounod schon als Experte fürs französische Repertoire bewiesen hat, übernimmt Offenbachs »Orpheus in der Unterwelt«.
Omer Meir Wellber nimmt also seine Arbeit mit der Staatskapelle, die er mit gerade einmal 28 Jahren begonnen hat, als Vorbild und baut sich in Wien ein siebenköpfiges Team, das zusammen an die 250 Vorstellungen dirigiert und so für Kontinuität sorgt. Darüber hinaus wird er die Arbeit im Graben mit einer sinfonischen Konzertreihe komplementieren, in der sich Schostakowitsch, Haydn und Zeitgenössisches findet. Zur Vorbereitung lädt er das Orchester der Volksoper im Sommer nach Dresden ein, um hier ein Konzert für das Schleswig-Holstein Musikfestival einzustudieren: eine Kombination aus Vivaldis und Piazzollas »Vier Jahreszeiten«, bei der der scheidende Erste Gastdirigent der Semperoper in alter Gewohnheit selbst Cembalo und Akkordeon spielt.