Der deutsche Orgelbau und die Orgelmusik werden zum immateriellen Weltkulturerbe gezählt. Doch leider sind die meisten Instrumente außerhalb der Gottesdienstzeiten stumm, die Kirchen, in denen sie stehen, sogar oftmals verschlossen. Daher gibt es bereits in einigen Regionen Angebote, gleich mehrere Orgeln im Rahmen einer Radtour zu entdecken.
Der Meißner Domkantor Thorsten Göbel hat gemeinsam mit der Stadtführerin Katrin Knüpfer und der Tourist Information Meißen eine Tour mit dem Titel »Organ & Bikes« entwickelt, die von Meißen nach Radebeul den Elberadweg entlangführt. Goebel hatte dabei nicht nur den Anspruch, kleine Konzerte an verschiedenen Orgeln zu geben, sondern auch, seiner Zuhörerschaft Hintergrundinformationen zu den Instrumenten, den von ihm gespielten Werken und auch seinem eigenen Spiel zu vermitteln.
Daher gab es an allen drei ausgewählten Stationen jeweils das Präludium C-Dur BWV 547 (1744) von Johann Sebastian Bach und das Stück »Eintritt« aus den Waldszenen (1848/49), Opus 82 von Robert Schumann zu hören, die für die barocke und die romantische Orgelmusik standen. Dazu spielte Goebel noch jeweils weitere Werke passend zum Instrument.
Erste Station war der Meißner Dom – hier wurde die mittägliche Orgelreihe in das Programm integriert. Das Publikum erfuhr Geschichte, Stärken und Tücken der Eule-Orgel (1972) und vom Wunschtraum des Kantors, dass auch über dem Westchorportal wieder eine Orgel erklingen könnte. Bachs tänzerisches Präludium im 6/8-Takt wirkte durch die Domakustik eher schwer und feierlich. Passenderweise hatte Goebel noch Hermann Schroeders 1. Orgelsonate (1956) und die romantische »Suite gothique pour Grand Orgue« von Léon Boëllmann ausgewählt.
Nach kurzem Stopp auf dem Marktplatz und Erklärung des Porzellanglockenspiels sowie Hinweis auf die Porzellanorgel in der Meissner Manufaktur ging die Tour nach Brockwitz, unterbrochen von einer Radlerpause. In der dortigen Evangelischen Kirche erläuterte Goebel ausführlich, wie ein Organist – insbesondere bei trockener Akustik – phrasieren muss, um Melodielinien erkennbar zu machen. Für echte Orgelenthusiasten ein spannender Einblick in die Handwerksstube eines Künstlers; für Radlerfreunde, die eher unbeschwerten Musikgenuss erwartet hatten, vielleicht etwas zu didaktisch. Das Instrument der Orgelbaufirma Ekkehart Groß aus Waditz von 2006 steht in der Tradition barocker Orgelwerke. Und so brachte hier Goebel auch weitere Stücke von Bach zu Gehör.
Letzte Station war die Friedenskirche Altkötzschenbroda. Hier erfuhren die Gäste zunächst einiges über den in der Kirche geschlossenen Waffenstillstand, der schließlich zur Beendigung des 30jährigen Krieges führen sollte. Viele sahen Parallelen zur heutigen Zeit. Die Jehmlich-Orgel aus dem Jahr 1885 war das älteste der im Rahmen dieser Tour vorgestellten Instrumente. Zusätzlich zu den beiden „Pflichtstücken“ interpretierte Goebel von Felix Mendelssohn Bartholdy die Orgelsonate Nr. 5, Opus 65 Nr. 5, sowie das eindrucksvolle, 1991 entstandene »Te Deum per organo« des zeitgenössischen lettischen Komponisten Peteris Vasks. Abgeschlossen wurde die Radtour mit einer kleinen Weinprobe im Pfarrgarten der Friedenskirche.
Trotz guten Wetters und Rückenwinds sowie disziplinierten Mitreisenden dauerte die Radtour länger als geplant – etwas mehr zeitlicher Spielraum trüge sicherlich zum entspannten Orgeltourismus bei. Ansonsten aber hat die Tour gezeigt, welche klanglichen Schätze zwischen Meißen und Dresden zu entdecken sind. Die nächste Tour soll am 3. September stattfinden. Angesichts der hohen Nachfrage und der vielen interessanten Orgeln in Dresden Elbland wären weitere Termine wünschenswert!