Noch heute schwärmen die, die eine der begehrten Karten ergattern konnten, von den konzertanten „Ring“-Aufführungen Marek Janowskis Anfang der Achtziger Jahre im Kulturpalast. Legendär wurde die damalige Schallplatten-Einspielung der Sächsischen Staatskapelle, sie hat bis heute Referenzcharakter. Nun schickt sich die Dresdner Philharmonie an, mit ihrem Schwesterorchester gleichzuziehen: gestern startete ein neuer konzertanter »Ring«-Zyklus im Kulturpalast – und diesmal gibt es sogar noch Karten! Martin Morgenstern hat mit dem Soloklarinettisten Daniel Hochstöger über die Herausforderungen der nächsten Tage gesprochen.
Frage: Sie sind noch nicht allzu lange beim Orchester – und sind nun gleich bei einem so gigantischen Projekt dabei. Schildern Sie uns kurz ein bisschen Ihre musikalische Vorgeschichte?
Daniel Hochstöger: Meine Eltern hatten sich in den Kopf gesetzt, dass wir Kinder ein Instrument lernen sollten. Mit neun Jahren lief ich also mit ihnen in der Wiener Musikschule von Tür zu Tür und probierte Instrumente aus. Bei der Klarinette gelang es mir gleich, einen Ton zu produzieren. Das Gefühl dieser Tonerzeugung – der Schall überträgt sich über das Mundstück, die Zähne, den Schädel, man nimmt die Vibration im ganzen Körper wahr – fand ich faszinierend. Also blieb ich bei diesem Instrument.
Ihren Musik-Bachelor haben Sie in Wien, Ihren Master dann in Graz gemacht.
Nach der Schule war klar, entweder studiere ich Klarinette oder Mathematik. Ein zweites Masterstudium habe ich dann noch in Berlin an der Hanns-Eisler-Hochschule absolviert und war 2016-2018 Akademist bei den Berliner Philharmonikern. Insgesamt habe ich damals bestimmt 30 Probespiele gemacht – und landete schließlich in Dresden bei der Philharmonie.
Dieser „Dresdner Klang“, der vom Orchester beschworen wird – wie schnell haben Sie sich in diesen Klang hineingefunden?
Ich tue mich ehrlich gesagt schwer, diesen Klang zu beschreiben. Ein ‚Dresdner Klang‘, ja, was ist das? Die Streicher spielen gern mit sehr viel Bogen. Aber bei uns Holzbläsern, auch beim Blech, könnte ich das gar nicht richtig in Worte fassen. Was man vielleicht sagen kann: der Dresdner Klang entsteht durch das Spielgefühl. Man spielt solistisch, stellt aber trotzdem im Holzsatz eine große Homogenität her.
Sie haben noch ein Orchesterjahr unter dem damaligen Chefdirigenten Michael Sanderling erlebt. Wie hat sich das Orchester seitdem klanglich entwickelt?
Ein Orchester klingt einfach grundsätzlich anders, je nachdem, wer am Pult steht. Michael Sanderling hat viel an der Artikulation gearbeitet, Striche vorgegeben. Marek Janowski arbeitet ganz viel an dynamischen Feinheiten, an der Balance der Stimmen. „Das ist zu laut“, „hier müsst ihr stärker spielen“ – man kann ganze Proben damit verbringen, diese Feinheiten zu organisieren und bestimmte Register abzustimmen und auszugleichen.
Wie sieht nun die Probenarbeit für die anstehenden Opernabende aus? Lassen Sie uns doch mal heimlich in die Werkstatt gucken.
Der »Ring« ist vor allem konditionell eine Herausforderung. Man sitzt ja als Musiker eines Sinfonieorchesters selten fünf Stunden auf der Bühne. Es ist richtig schwer, die Konzentration zu bewahren. Für mich persönlich ist auch einfach viel Neuland. Ich habe von der »Götterdämmerung«, der »Walküre« früher schon einmal einzelne Akte gespielt. Aber eine ganze Oper, konzertant? Das ist eine Riesenherausforderung für das Orchester, und auch für Marek Janowski. Im August haben wir mit den Vorproben angefangen. Für die drei großen Opern sind da schon einmal achtzehn Dienste angefallen, plus Vorproben. Und Janowski selbst? Der steht teilweise zehn Stunden am Tag am Pult. Man merkt, dass das auch an ihm zehrt. Aber wir alle freuen uns auf die Abende, die vor uns liegen. Wir sind ja kein Opernorchester, aber wir fühlen trotzdem: wir sind bereit! Jetzt müssen nur noch die Leute kommen. Wenn man jede Oper nur einmal spielt, wäre es doch schön, wenn der Saal auch voll wird.
Für Marek Janowski ist dieser »Ring« das krönende Projekt seiner zweiten Dresdner Chefzeit. Wie findet das Orchester seinen Nachfolger, wonach sucht es nun?
Das ist ein komplizierter Prozess, der sich zwischen Intendanz und Orchestervorstand abspielt. Über jeden Gastdirigenten der Spielzeit stimmen wir ab: können wir uns den als Chef vorstellen? Da soll sich jeder Orchestermusiker beteiligen, es geht um ein möglichst breites Stimmungsbild. Schließlich versucht man, eine Einigung zu finden, so dass alle Seiten glücklich sind. Es gibt momentan schon ein paar Kandidaten, die das Orchester überzeugt haben, aber fest steht noch überhaupt nichts. Es könnte also gut passieren, dass wir uns erst einmal auf eine Zeit ohne Orchesterchef einstellen müssen.