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„Warum?“

Rudolf Mauersbergers Trauermotette »Wie liegt die Stadt so wüst«, komponiert unter den Eindrücken des zerstörten Dresdens am Karfreitag und Karsamstag 1945, ist in den letzten Jahren wieder in den Fokus der historischen Musikwissenschaft gerückt. Unter dem Reizwort Erinnerungskultur stellen sich uns heute Fragen nach einem zeitgemäßen musikalischen Gedenken – in einer Stadt, in der neunzig Jahre nach der Machtergreifung der Nazis am Samstag zeitgleich zur Wiederaufführung der Motette in der Kreuzkirche eintausend Rechtsextremisten in einem angemeldeten sogenannten „Trauerzug“ durch die Stadt marschierten.

Rudolf Mauersberger: Handschrift »Zyklus Dresden«. Quelle: SLUB Dresden, Mus.11302

Wolfgang Mende hat unter anderem zu diesem Werk Mauersbergers ein Jahr nach dem groß gefeierten Kreuzchorjubiläum in einem Vortrag an der SLUB einen bemerkenswerten Vortrag gehalten und eine „kritische Inventur“ angeregt. (Michael Ernst: »Wie liegt die Stadt so wüst… Dresden und die musikalische Gedenkkultur. Ein Vortrag von Dr. Wolfgang Mende in der SLUB«. Quelle: Dresdner Universitätsjournal 4/2017, S. 3) Diese Inventur steht nach wie vor aus und könnte durch die momentan laufende Erschließung des Nachlasses von Herbert Collum neue, erhellende Impulse erhalten.

Bis dahin empfiehlt sich – nein, mitnichten in den Gedenkkonzerten auf dieses eindrückliche, tief bewegende Werk zu verzichten! Sondern es auf kluge Weise mit anderen musikalischen Werken aus anderen Zeiten zu verknüpfen, es in Bezug zu setzen und Hintergründe zu erleuchten, so wie es der neue Kreuzkantor am Samstag in seinem ersten Gedenkkonzert getan hat. Martin Lehmann hat die Trauermotette (traditionell) an den Beginn des Konzerts gestellt und dann musikalische Angeln ausgeworfen: zuerst tausend Jahre zurück in die Einstimmigkeit eines gregorianischen Dona eis requiem, und am Schluss in unsere kriegs- und terrorgeplagte Gegenwart, zu einem knapp zwanzig Jahre alten Trauergesang Arvo Pärts. Der Komponist hat »Da pacem domine« anlässlich der islamistisch motivierten Madrider Zuganschläge komponiert und 2007 noch einmal neu bearbeitet und für Chor und Streichensemble gesetzt. Diese Fassung musizierte der Kreuzchor mit der Staatskapelle Dresden. Interessant wäre es vielleicht auch, einmal nach den ja bekanntlich nicht sehr tiefen Spuren des gemäßigt modernen Mauersbergerschen Stils in nachfolgenden Werken zu suchen. Mir fällt auf Anhieb das »Dona nobis pacem« des 1946 geborenen Pēteris Vasks ein.

Wer am morgigen 13. Februar 2023 noch etwas tiefer in die Diskussion um richtiges und falsches Gedenken, um nicht zulässige Relativierungen, um Scham und Schuld einsteigen mag: in der Frauenkirche findet ab 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion statt, unter anderem mit der frisch wiedereingesetzten Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch und Dr. Kristiane Janeke, der Wissenschaftlichen Leiterin des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr Dresden.

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