Ohne Krzysztof Meyer sind die Internationalen Schostakowitsch-Tage Gohrisch kaum denkbar. Von Anfang an ist er mit dabei, hat bis jetzt keinen Jahrgang versäumt und vielleicht nicht mal eines der Konzerte ausgelassen. In mehreren ist Musik aus seiner Hand erklungen, schon im ersten Jahr, im Herbst 2010, gab es in Gohrisch mit dem 13. Streichquartett eine Uraufführung von Krzysztof Meyer.
Seine Bezüge zu Dmitri Schostakowitsch, dem Namensgeber dieses Festivals, sind vielfältig. Bereits als Schüler wäre er am liebsten von seiner Geburtsstadt Krakau aus zum Warschauer Herbst gereist, um dem großen Vorbild persönlich zu begegnen. Doch erst als junger Student machte er sich dann tatsächlich auf den Weg und traf ihn in Moskau. Aus einem zunächst recht zögerlichen Briefwechsel erwuchsen regelmäßige Kontakte sowie intensive Gespräche über Meyers kompositorisches Frühwerk; als Summe all der unvergesslichen Begegnungen entstand schließlich Meyers noch heutige gültige Schostakowitsch-Biografie »Sein Leben, sein Werk, seine Zeit«.
Dieser freundlich verbindlichen Nähe sind aber auch musikalische entwachsen. Schließlich hat Meyer Schostakowitschs Fragment gebliebene Gogol-Oper »Die Spieler« aus den 1940er Jahren vier Jahrzehnte später in dessen ursprünglichem Stil vollendet. Andere Bezüge klingen nach Meyers eigener Façon, etwa das Streichquartett »Au délà d’une absence« auf Grundlage des ihm anvertrauten Entwurfs zu Schostakowitschs 16. Streichquartett sowie ein nachgelassenes Präludium für Klavier, das er um eine kleine, aber höchst virtuose Fuge ergänzen konnte. Beide Kompositionen erklangen ebenfalls als Uraufführung der Internationalen Schostakowitsch-Tage Gohrisch.
Krzysztof Meyer gehört nicht nur deren Kuratorium an, sondern bereichert sie auch mit Rat und Tat. So dürfte es nur eine logische Konsequenz gewesen sein, dass er im aktuellen Jahrgang dieses Musikfestes mit dem Internationalen Schostakowitsch-Preis Gohrisch geehrt worden ist. Der Mitte August begangene 80. Geburtstag Krzysztof Meyers ist ein mehr als würdiger Anlass hierfür gewesen.
Der Komponist und Pianist ist freilich nicht allein vom Kontakt zu Schostakowitsch und dem musikalischen Schaffen dieses bleibenden Vorbilds geprägt worden, sondern kaum minder von Polens größten Koryphäen des 20. Jahrhunderts, vor allem von Krzysztof Penderecki, Witold Lutosławski und Henryk Górecki. Frühzeitig hat sich Meyer auch für die musikalischen Strömungen des Westens interessiert und etwa bei Nadja Boulanger in Frankreich studiert, um das Gelernte beizeiten in seiner Geburtsstadt an der Musikakademie (die ihn 1972 zum Prorektor wählte) sowie später auch an der Musikhochschule Köln weiterzugeben. Bis 1989 stand er dem polnischen Komponistenverband vor.
Krzysztof Meyer stammt aus Polen, lebt in Deutschland und ist ein bekennender Europäer. Wirklich zu Hause aber ist er in der Welt der Musik. War sein Schaffen anfangs noch durch die Nähe zur Zwölftonmusik geprägt, orientierte es sich später an der Avantgarde von Mauricio Kagel und György Ligeti, suchte und fand jedoch mehr und mehr eigene Freiheiten, die er für sich beanspruchte. Kompositorische Moden oder gar Trends lehnt er ab, für ihn zählen Handwerk und Harmonie; die dramaturgischen Grundlagen seiner Musik sind nicht selten mathematisch strukturiert und weisen strenge Proportionen auf, um trotz – oder wegen – derartiger Konstruiertheit enorme Wirkungen zu entfalten.
Mehr als ein halbes Dutzend sinfonischer Werke hat der Jubilar bislang geschaffen, ist zudem der Kammermusik verpflichtet (15 Streichquartette stammen aus seiner Feder!) und hat diverse Solostücke sowie zahlreiche Bühnenwerke komponiert. Schon bald soll seine neue Oper »Ein Mann auf dem Gleis oder dreimal darüber« in Warschau uraufgeführt werden. Vielleicht wäre es an der Zeit, wenn nicht gar überfällig, seine Musik auch in Dresden erklingen zu lassen?