Im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele fand nach zwei abgesagten Konzerten in den Jahren 2020 und 2021 endlich das von vielen lang ersehnte Konzert der Ikone am Bass in der ausverkauften Messehalle 1 statt. Stattlich war der Sound gleich zu Anfang. Mit original Snareklang, weiten und sphärischen Gitarrensounds und einem fast schon demütig zurückhaltenden Bassfundament – natürlich gespielt vom Altmeister selbst auf einem schlichten, schwarzen, viersaitigen E-Bass. Druckvoll erklangen Songs aus allen Epochen seines langen Schaffens. Um den Wermutstropfen gleich anzusprechen: die Lautstärke des Konzerts war oft zu hoch. Die meist altbekannten Arrangements konnten so nicht immer die Tiefe zeigen, welche der Komponist und Songschreiber fast allen seiner Werke mit einer großen Liebe und Akribie verliehen hat.
Der »Commander of the British Empire«, ernannt 2003 für sein umfassendes Engagement rund um die Musik, hatte eine Lösung für die Erstellung der Setliste des Abends, die ihm am Morgen des Konzertes nicht recht gelingen wollte. Im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Hut zauberte er – immer abwechselnd von den drei Musikern gezogen – den nächsten Titel in Form eines kleinen Zettels. Das kam gut an und zeigte die Spontanität des auf einander eingespielten Trios.
Ich bin mit der Musik dieses mit siebzehn Grammys ausgezeichneten Ausnahmesängers an der Bassgitarre aufgewachsen, trotzdem hatte ich ihn bisher nie live erlebt. Dazu mussten viele Jahre und etliche Alben vergehen. Beeindruckt von seiner überragenden Schlichtheit, bewundere ich Sting für seine in dieser Szene nicht selbstverständliche Demut der Kunst gegenüber. Seine Bühnenpräsenz: seltsam überirdisch am Boden geblieben. Das gelingt ähnlich oft und namhaft ausgezeichneten Kolleginnen und Kollegen kaum. Mit keinem Liebesskandälchen oder anderen Star-Allüren machte er von sich Hören. Dafür mit einzigartigen, zeitlos in Klang gemeißelten Beobachtungen des Lebens über einen für die heutige kurzlebige Kulturbranche undenkbar langen Zeitraum von einem halben Jahrhundert.
Das an diesem Abend erschienene Publikum erwartete daher wohl auch keine Innovationen, sondern altbekannte, in Songs gespeicherte Emotionen aus längst vergangenen Zeiten, zurück geholt, als wäre es gestern gewesen. Bei den dann doch selten gehörten Klängen zu Beginn des Konzertes wurde die Bestuhlung der Messehalle noch höflich genutzt; im weiteren Verlauf des Abends, bei Titeln wie „Englishman in New York“ oder „Every Breath You Take“, wurde sie entbehrlich. Mit einem Playback begann das Konzert, und ich befürchtete zunächst, dass hier in moderner Manier den Songs unnötig Druck verliehen werden sollte. Diese Sorgenblasen zerplatzten aber an gelegentlich zu hörendem Knacken der Bass-Tonabnehmer, welches den untrüglichen Beweis des Live- und Handgespielten lieferte. Vielmehr war es ab und an stimmungsvolle Ergänzung des ansonsten dichten Spiels des Trios. Das Fehlen der Keyboards und des legendären Saxophons konnte der im Vergleich noch junge Schlagzeuger Chris Maas und der charismatische Gitarrist Dominic Miller mit Leichtigkeit und Musikalität vergessen machen. Zart, zerbrechlich und zutiefst anrührend gab es das für die heutige Zeit so wichtige und aktuelle Stück „Fragile“ ganz zum Schluss auf den Nachhauseweg.
Paul Zöllner