»Wie weiter bauen in Dresden?« hieß eine Veranstaltung, zu der die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden im Mai 2024 eingeladen hatte. Susanne Krause (Bündnis 90/Die Grünen) sorgte dort für Aufmerksamkeit, als sie auf dem städtischen (!) Grundstück an der Ecke Augustusbrücke / Köpckestraße (gegenüber dem Blockhaus, ‚hinter‘ dem Narrenhäusel, über dem ehemaligen Fußgängertunnel) nicht die übliche Mischung aus Büros, Geschäften, Praxen und Wohnungen sehen wollte, sondern stattdessen den Vorschlag ihres Fraktionskollegen Thomas Löser für eine öffentliche kulturelle Nutzung vorstellte (1:28h bis 1:38h). Nachdenklichkeit auf dem Podium, kritische Wiederworte, schließlich fasste Johannes Lichdi (Dissident:innen) zusammen: „Ja, ich fände das eine gute Idee. Der Platz schreit nach einer öffentlichen Nutzung. Aber: Diese kulturelle Nutzung ist auch nicht im Entferntesten am Horizont zu erkennen.“ Der Grund: es fehle Dresden momentan schlicht am Geld, ein solches Haus, ob nun Museum oder Konzerthaus, zu bauen.
Seit dieser Veranstaltung hat Dresden einen neuen Stadtrat (und eine Brücke weniger). Und: am Horizont ist ein Silberstreif der Hoffnung aufgetaucht, in Form einer Bundesförderung. Die heutigen öffentlichen Aufschreie, die Formulierungen und O-Töne teils unter der Gürtellinie, sie machen klar, dass der positive Bewilligungsbescheid der Gelder von Claudia Roth zu einem denkbar unglücklichen Zeitpunkt in Dresden eintrifft: gerade, nachdem eben jene Frau Roth dem Bündnis internationaler Produktionshäuser (darunter auch Hellerau) sämtliche Gelder gestrichen hat und der Oberbürgermeister dem Stadtrat eine sog. „Liste von Grausamkeiten“ in allen Bereichen zum Beschluss vorgelegt hat. Dazumal ist festzuhalten, dass das von Jan Vogler angestoßene Vorhaben bisher weder Teil des INSEK »Zukunft Dresden 2035+« (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) noch des 2020 beschlossenen Kulturentwicklungsplans der Landeshauptstadt ist. Weder Bauausschuss noch Kulturausschuss des Stadtrates wurden über die Bewerbung um diese Gelder informiert; lediglich Ministerpräsidenten, OB und Kulturbürgermeisterin, sagt Vogler, habe er in seine Pläne eingeweiht, aber vorerst um Stillschweigen gebeten. Die Erfahrung habe nämlich gezeigt: wer zu früh über seine Pläne informiere (und damit potentielle Geldgeber unter Zugzwang setze), dessen Anträge würden anschließend fast zwangsläufig abgelehnt.
Die erwähnte Kulturbürgermeisterin gab sich heute auf Anfrage zurückhaltend. Annekatrin Klepsch: „Es ist erfreulich, dass der Bund die kulturelle Entwicklung der Stadt Dresden unterstützen möchte. Angesichts der aktuellen Haushaltslage und insbesondere nach dem Einsturz der Carolabrücke brauchen wir eine Prioritätendiskussion, welche Investitionen und dauerhaft zu finanzierende Einrichtungen sich die Stadt leisten kann.“ Diese Diskussion scheut Jan Vogler nicht, und er stellt klar, dass der Geldsegen des Bundes „eine Riesengeste für Dresden“ sei; ein Angebot mehr als eine Verpflichtung. „Dass am Königsufer für die Dresdner ein Haus mit kultureller Nutzung gebaut werden soll, weiß ich seit zwei Jahren“, führte der Musikfestspielintendant aus. „Wir suchten ja immer einen Probenraum, natürlich auch ein Archiv – aber es geht mir seit Jahren im Kopf herum, ob wir nicht auch einen Konzertsaal mit 600 Plätzen haben können. Beim Kulturpalast war es ja leider nicht mehr möglich, einen Kammermusiksaal zu bauen.“ Also fragte sich Vogler: wie können die Musikfestspiele da mit einer neuen Idee ihren Hut in den Ring werfen?
„Wir haben im Juni 2024 einen Antrag formuliert,“ berichtet Jan Vogler, „und die Stadt hat ihn gestellt. Die Leitung des Freistaats und der Stadt ist willens, die Idee mitzudenken. Ich habe nicht gedacht, dass wir eine so hohe Chance haben. Schließlich ist das eine der größten Summen, die jemals für Kultur beschlossen wurden. Die Abgeordneten des Bundestages waren sehr stolz, dieses Signal nach Dresden zu senden. Mit allen Gremien müssen wir dieses Knäuel an Fäden nun ordnen. Natürlich haben wir nachgedacht: ist es etwas, was uns nach vorne bringt? Das wird die große Kommunikationsaufgabe der nächsten Wochen sein. Und dann muss das vom Stadtrat noch beschlossen werden.“
Das Wörtchen ‚das‘ – dahinter steckt die Eigeninvestition der Landeshauptstadt in Millionenhöhe, die nun folgen müsste, und deren bisherige Geheimhaltung die Stadträte so irritiert. Wie viel Geld die Stadt selbst ausgeben muss, damit das Bundesgelder fließen? Da ist man sich im Team der Musikfestspiele nicht ganz einig, es kursieren öffentlich momentan Zahlen zwischen 15 und 30 Millionen Euro. Aber auch hier beschwichtigt Vogler: „Die Musikfestspiele haben eine Eigenfinanzierung von 80 Prozent. Mein Ziel ist nicht, von der Stadt mehr, sondern weniger Geld zu fordern!“ Auch die laufenden Betriebskosten des neuen Konzerthauses von immerhin einer halben Million pro Jahr glaubt das Team der Musikfestspiele selbst aufbringen zu können. „Der Saal wird von früh bis abends besetzt sein,“ rechnet Vogler vor. Wenn 2026 losgebaut werden könne, wäre das Haus schon ab 2029 nutzbar. „In den nächsten Tagen werde ich auf die Staatskapelle, auf die neue Orchesterdirektorin Annekatrin Fojuth, zugehen. Und natürlich gehe ich auch auf den Kulturausschuss zu.“ Und er fügt an: „Ist es nicht auch eine Verpflichtung für eine Kulturinstitution wie die Musikfestspiele, für so ein Projekt zu kämpfen? Wenn ich das ablehnen würde, würde ich meinen Job nicht richtig machen.“
Es folgte jedenfalls Empörung aus den Fraktionen von SPD, aus dem Team Zastrow, der CDU und sogar von den Grünen selbst (Ulla Wacker: „Bei aller Freude über die Förderung durch den Bund stellen sich Fragen. In der aktuellen Haushaltslage und ohne jegliche öffentliche Diskussion einen großen Konzertsaal am Königsufer zu planen, scheint uns nicht angemessen. […] Wir wünschen uns einen öffentlichen Ort für Kultur am Königsufer, aber die Diskussion darüber hat eben erst begonnen.“). Dabei könnte man übrigens fast übersehen, dass aus der momentan größten Stadtratsfraktion vorsichtige Zustimmung zu Voglers Plänen kommt. Schon im Mai machte Thomas Ladzinski (AfD) klar: „Ich könnte mir eine kulturelle öffentliche Nutzung am Königsufer weitaus besser vorstellen als in der Robotron-Kantine.“ Anders gesagt, lieber ein Richard-Wagner-Kompetenzzentrum als zeitgenössische Kunst. Darf man sich über Schützenhilfe dieser Art freuen?
Sollte der Stadtrat tatsächlich in den nächsten Monaten grünes Licht für die Finanzierung eines neuen Konzerthauses geben, so folgt als nächstes ein öffentlicher Architektenwettbewerb. Über diesem schweben die Worte von Heinrich Magirius (DNN v. 20.2.2016): „Die Elbuferbebauung der Neustadt zwischen den Ministerien und dem Blockhaus sollte – wie schon zwischen Blockhaus und Japanischem Palais – möglichst niedrig und vielteilig [!] erfolgen. Selbst wenn hier wirklich einmal ein Konzerthaus entstehen sollte, müsste es in Dresden ja nicht unbedingt einem Hochseedampfer ähneln. Dem steinernen Altstädter Ufer sollte ein ‚offenes‘, parkähnliches Neustädter Gegenüber erhalten bleiben.“
Hintergrund: »Dresden Königsufer – Rahmenbedingungen für eine Bebauung zwischen Hotel Bellevue und Finanzministerium«, hrsg. von der Landeshauptstadt Dresden (Stadtplanungsamt), März 2017. Darin u.a.: Staatsoperette (S. 35) und Konzerthäuser (S. 38).