Hat jetzt die Zukunft Einzug gehalten im Festspielhaus Hellerau? Immerhin wurde für das dort residierende Europäische Zentrum der Künste die Uraufführung einer »Robotersinfonie« angekündigt, womit sowohl die Eröffnung der Hybrid-Biennale – dem Festival digitaler Künste – als auch das Jubiläum der 1999 gegründeten Dresdner Sinfoniker gefeiert werden sollte. Dieses Ensemble hat regelmäßig mit mehr oder minder spektakulären Projekten wie der »Hochhaussinfonie« (gemeinsam mit den Pet Shop Boys), dem »Ersten Ferndirigat der Welt« (Michael Helmrath dirigierte von London aus das Dresdner Orchester) und insbesondere mit höchst couragierten Aktionen von gesellschaftlicher Relevanz für Aufsehen gesorgt. Internationale Beachtung fanden etwa das den 1915 erfolgten Völkermord an der Armeniern thematisierende »Aghet«-Konzert, das der türkischen Diktator Recep Tayyip Erdoğan erfolglos zu verhindern versucht hat, sowie der Protest gegen den von Donald Trump geplanten Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko mit dem von US-Behörden teils eingeschränkten Konzert »Tear Down This Wall!«. Von besonderer Aktualität dürfte heute die »Cinema Jenin – A Symphony« sein, die gemeinsam mit israelischen und palästinensischen Musikern aufgeführt worden ist und ein exemplarisches Zeichen der (damals noch möglichen?) Versöhnung dargestellt hat.
Zur Feier des Vierteljahrhunderts sollte es wohl absichtsvoll ein wenig unterhaltsamer zugehen. Dennoch wurde mit enormem medialen Aufwand Erwartungen geschürt, die wahrhaft Außerordentliches verhießen. Während die Dresdner Sinfoniker als Uraufführungsklangkörper schon wiederholt unter Beweis gestellt haben, dass keine Partitur zu schwierig für dieses mit auserwählten Musikerinnen und Musikern besetzte Orchester ist, sollte nun das Leistungsvermögen herkömmlicher Dirigenten gesprengt werden. Denn die musikalische Leitung des Abends teilten sich der binnen nur dreier Tage kurzfristig eingesprungene Norweger Magnus Loddgard mit drei Einarmigen, die als kollaborative Roboter bezeichnet worden sind und dem Jubelkonzert zu seinem Namen verhalfen.
Als erstes Instrument ließ sich in der eingangs uraufgeführten Konzetouvertüre »f..A..lling. l..l..nes (better stay human)« von Markus Lehmann-Horn ein Schlagbohrer vernehmen, in dessen Hämmern sich jeweils vier Trompeten und Tuben sowie acht Hörner und Schlagwerk einmischten. Schon hier verblüffte (nach anfänglichem Kichern im Publikum – die vorzügliche Intonationskunst sämtlicher Bläser.
Im Hornoktett »Voyager 2« von Konstantia Gourzi setzte sich dieser Klangzauber mit computerhafter Akkuratesse auf sauber grundierten Tonfolgen und eindrücklich ritualisierten Kaskaden fort, bevor Wieland Reissmanns »Colours of Seikilos« fanfarenartig mit forcierten Steigerungen und geradezu elegischen Abbrüchen kontrastierte. In Deutscher Erstaufführung wurden hier Düsternis und Helle klanglich ausgelotet, Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden, denn Reissmann bezieht sich in seinem Werk auf die womöglich älteste Notation der Menschheit, einem nahe Ephesos aufgefundenen Epitaph, das um die zweitausend Jahre alt sein mag.
Nach der Pause gaben dann zwei Kobots den Ton an, die schon erwähnten kollaborativen Roboter. Eine offenbar aufwendige Gemeinschaftsentwicklung mit CeTI, dem an der TU Dresden angesiedelten Exzellencluster namens Centre for Tactile Internet with Human-in-the-Loop. Die Dirigierbewegungen mussten den Geräten von menschlicher Hand beigebracht werden, woraufhin sie dann mit technischer Präzision die Einsätze vermittelten. In der Uraufführung von Wieland Reissmanns »#kreuzknoten« wirkte dies noch nachvollziehbar berechnet, um diffizile Rhythmen ineinander zu verschränken. Andreas Gundlachs »Semiconductor’s Masterpiece« nutzte dann alle drei bunt illuminierten Roboterarme, die bei genauerem Hinsehen wie Zahnarztstühle für ungezogene Kinder aussahen, um mit kundiger Effekthascherei komplizierte Metren in höchster Präzision anzudeuten. Aber seien wir ehrlich: Ohne eine wirklich gründliche Vorbereitung der ausführenden Musiker wären diese mal nach chaplinesker Filmmusik, mal nach purer Berechnung, wie sie eben auf Halbleitern basiert, nicht annähernd so perfekt umzusetzen gewesen. Denn die Crux dieser optisch durchaus reizvollen Dirigierstäbe ist schlicht und ernüchternd, dass sie keine interagierende Korrekturmöglichkeiten aufweisen.
Aber hier galt es ja dem Feiern und Sich-Feiern-Lassen, das ist gelungen und wurde mit Jubel gekrönt. Am ehesten entsprach insofern vielleicht das heitere, leider nur als Video gezeigte Vermittlungsprojekt mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Dresden Johannstadt diesem Anlass und der damit verbundenen Absicht. Die Mädchen und Jungen sind – zu eu arrangierten Musikcollagen frei nach John Williams – wortwörtlich auf den Hund gekommen. Ein Schülerspaß, der lebendige Freude mit technizistischer Gaudi verband, denn dieser lautstark zu Charleston tänzelnde Vierbeiner ist der Roboterhund Spot gewesen, der dem Projekt denn auch zum Namen »Spot.Me« verhalf. Des Pudels Kern ist Elektronik.
Dass diese eingängig mitreißende nach der »Musica Celestis« von Aaron Jay Kernis, die rhythmisch vertrackt nochmal die volle Kondition und Präzision der Bläserschaft abverlangt hat, als Zugabe erklang, trug gewiss zum lautstarken Jubel dieses Jubiläumskonzertes mit bei. Eine grundsätzliche Frage zum Thema »25 Jahre Dresdner Sinfoniker« allerdings ist vorerst offen geblieben, da die Gründung des Orchesters durch Markus Rindt und Sven Helbig angeblich doch bereits im Jahr 1996 erfolgt ist. Roboterhund, übernehmen Sie?