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Harmlos… und hymnisch

Anton Bruckner 1889, gemalt von Ferry Bératon (Public domain, via Wikimedia Commons)

Auch die Orgel macht vor dem 200. Geburtstag von Anton Bruckner nicht halt. Zum Dresdner Orgelzyklus erklang jetzt die 8. Sinfonie in der Kreuzkirche.

Die 8. Sinfonie von Anton Bruckner ist ein Meilenstein auf dem langen Pfad dieser musikalischen Gattung. Ein gläubiges Aufbäumen. Ein ewiges Zweifeln. Die klingende Selbstbehauptung. Und das alles in einem fast eineinhalbstündigen Bekenntnis. Noch dazu ohne jedwede Spur eines innerlichen Bewusstseins von der Notwendigkeit dieses Meilensteins, der ein Kraftakt sowohl für dessen Schöpfer gewesen als auch – immer wieder von Neuem – für die Hundertschaft ihrer klangvollen Umsetzung ist.
Dank der Transkription für die Orgel kann diese monumentale Sinfonie allerdings auch zum Solostück geraten. So ist sie nun in Dresdens Kreuzkirche zu hören gewesen, wo unter den Händen und Füßen von Jacobus Gladziwa die Fassung des Stuttgarter Organisten Eberhard Klotz aufgeführt wurde.

Sie wirkte zunächst einmal harmlos im Gegensatz zum pompös orchestralen Original, als wäre sie geradezu eine akustische Miniatur dieses monolithischen Opus’. Alles, was da nicht mit sprichwörtlich vollem Register durchs Kirchenschiff tönte, schien nur ein Schattendasein zu verkörpern, lediglich die kraftvollen Passagen insbesondere im Schlusssatz fingen einen Hauch von Bruckners sinfonischer Wirkmacht ein. Lautstärke jedoch hat meist nicht viel mit der Stärke des Eindrucks zu tun. Folglich wurden im ohnehin nur spärlich besetzten Gestühl mehr und mehr Plätze frei, weil womöglich die Erwartung einer orgiastischen Umsetzung dieser schier göttlich gemeinten Sinfonie durch die Königin der Instrumente nicht erfüllt worden ist.

Am Organisten Jacobus Gladziwa dürfte das nicht gelegen haben, denn der hat sich mit Inbrunst in die Tasten gelegt und auf die Pedale gestellt. Allein die Notation schien weitgehend zu zart angelegt gewesen zu sein: das Resultat war folglich kein adäquat tönendes Vexierbild dieses imposanten Orchesterwerks für die Großmeisterin der Instrumentalkunst, sondern eher ein hymnisch angelegter Versuch, Bruckners Langgebet an die Götterschaft der musikalischen Welt sowie der gesamten Christenheit im Orgelklang wiederzugeben. Oder wenigstens hier und da mit Anklängen ursprünglicher Brisanz einzufangen. Was offenbar vielen Besuchern gefehlt hat, dürfte die unbedingte Spannkraft dieses Opus’ gewesen sein, ein notwendig verbindendes Element der Satzgestaltung. Bruckner-Sinfonien sollten bekanntlich vom Ende her gedacht sein. Das gilt im Orchester ebenso wie für die Orgel.