Vorbei sind die Zeiten, da sich zu den Veranstaltungen des Tonkünstler-Vereins in den vorderen Parkettreihen der Semperoper nur ein geheimbündlerisch überschaubares Publikum einfand. Heuer ist zu den Kammerabenden nahezu jeder Platz bis in den vierten Rang besetzt: aktive und ehemalige Kapellmitglieder winken sich zu, alteingesessene Dresdner freuen sich über die moderaten Kartenpreise und Touristen über die Möglichkeit, ganz spontan ein Konzert in der Oper erleben zu dürfen. Daher ist es vielleicht zukünftig sinnvoll, die freundliche Bitte, das Handy auszuschalten und auf das Klatschen zwischen den Werksätzen zu verzichten, zwei- oder gar dreisprachig vorzutragen (meine geräuschvoll agierenden Sitznachbarn sprachen russisch miteinander) und den Programmzettel zumindest um zwei, drei erklärende englische Sätze zu ergänzen? Zuhörern, die die Kapellmitglieder nicht namentlich zuordnen können, würde es das Verständnis sicher auch erleichtern, wenn die jeweils Ausführenden unter jedem Programmpunkt aufgeführt wären.
Mithin ist der Großteil des zu diesen Kammerabenden anwesenden Publikums überdurchschnittlich konzerterfahren. Das spürt man an der tiefen Konzentration, der gemeinsamen Versenkung in das Konzerterlebnis und dem merklich unterschiedlichen Beifall (von freundlich bis enthusiastisch) nach verschieden gut gelungenen Programmteilen. In der Reihe vor mir saßen am gestrigen Abend ein Partiturleser, zwei Mit-Dirigierer und ein besonders strenger Hörer, der bei den kleinen Kieksern des Hornquartetts (Hindemith) jedes Mal empört den Kopf schüttelte.
Da Konzertrezensionen angeblich heutzutage nur einen kleinen Leserkreis erreichen (seufz), sei in diesem kleinen Zwischenruf hier und heute nur meiner großen Freude über den zweiten Konzertteil Ausdruck gegeben, in dem die Konzertmeister bzw. Stimmführer Yuki Manuela Janke, Holger Grohs, Florian Richter und Sebastian Fritsch das »Amerikanische Quartett« op. 96 von Antonín Dvořák beseelt zelebrierten. Das war Quartettspiel in höchster Vollendung: Wie der Bratscher das Thema des ersten Satzes geradezu bildhauerisch herausarbeitete, so dass es wie am Mount Rushmore vor Augen stand; wie die erste Geige (die Pianissimi!) und später das Cello im Lento-Satz die Kantilene sangen, als weibliche und als männliche Stimme, getrennt voneinander und ganz von Sehnsucht umfangen… Es glänzten die einzelnen Soli, und doch war es der enge Bund der Stimmen, der das Quartett vorwärtstrieb. Hier haben sich vier Kapellmitglieder gefunden, die musikantisch und stilistisch harmonieren und doch in jeder Stimme eigene Charaktere entwickelt haben, so wie man es von den großen Streichquartettformationen des zwanzigsten Jahrhunderts kennt. Eine Sternstunde.
Termine der nächsten Kammerabende: 23.Januar, 13. März, 30. April, 28. Mai und 26. Juni 2025.