Zum Endes des Wintersemesters 2024/25 verabschiedet die Hochschule für Musik Dresden Ekkehard Klemm in den Ruhestand. 1958 in Chemnitz geboren, war Klemm Mitglied des Dresdner Kreuzchores, bevor er an der HfM Dresden Dirigieren und Komposition bei Siegfried Kurz, Hartmut Haenchen, Wilfried Krätzschmar und Manfred Weiss studierte. Seit 2003 ist er Professor für Orchesterdirigieren und Leiter des Hochschulsinfonieorchesters und und leitete zudem von 2010 bis 2015 die Hochschule für Musik Dresden als Rektor.
Von 2004 bis 2020 leitete er die Singakademie Dresden. 2017 wurde er auf die Position des Chefdirigenten der Elbland Philharmonie Sachsen berufen. Neben seiner umfangreichen Tätigkeit als Juror und Leiter von Dirigierkursen sowie einem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement ist Klemm weiterhin Präsident des Verbandes Deutscher KonzertChöre VDKC, seit 2013 Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und gehört seit 2012 dem Sächsischen Kultursenat an. Im Interview erzählt er, welche Hochschulprojekte ihm in besonderer Erinnerung bleiben werden, was er an seinen Studierenden schätzt und welche Pläne er für seinen Ruhestand hat.
Wie kam es zu Ihrer Lehrtätigkeit an der HfM Dresden?
Vor über 25 Jahren, im Dezember 1998, sprang ich kurzfristig für einen Dirigier-Studenten bei einem Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle ein. Nach längerer Pause seit dem Studium war dies der erste Kontakt nach Dresden. 2001 übernahm ich ebenfalls recht kurzfristig eine Aufführung des Hochschulsinfonieorchesters. Nach diesem Konzert kam Altmagnifizenz Wilfried Krätzschmar zu mir und informierte mich über eine demnächst auszuschreibende Stelle eines Professors für Orchesterdirigieren und die Leitung des Hochschulsinfonieorchesters in Personalunion. Nach einigem Nachdenken habe ich entschieden, meinen Hut in den Ring zu werfen und fand mich – vom Staatstheater am Gärtnerplatz München kommend – 2003 an meiner alten Hochschule wieder, um mit 44 Jahren selbst Dirigentinnen und Dirigenten auszubilden. Von den ersten eigenen Studenten Lennart Dohms (heute Professor in Bern) und Manuel Pujol (heute Chordirektor am Staatstheater Stuttgart) über Christina Drexel oder Oksana Lyniv bis zur heutigen einzigen Dirigierklasse in Deutschland, in der es mehr Damen als Herren gibt, war es noch ein Stück des Weges. Die Linien der Ehemaligen zu verfolgen, ist eine der beglückendsten Folgen der damaligen Entscheidung.
Wenn Sie an Ihre Dienstjahre zurückdenken: Welche Highlights bleiben Ihnen in Erinnerung?
Das sind eigentlich zu viele, um sie hier aufzuzählen. Die Eröffnung des Kleinen Hauses des Staatsschauspiels Dresden 2005 mit der Opernklasse und dem Hochschulsinfonieorchester, kurz danach die Uraufführung der SCHLÜSSELOPER von Wilfried Krätzschmar, die Konzertsaaleröffnung am Wettiner Platz 2008 mit einer Uraufführung von Friedrich Goldmann, die konzertante GENOVEVA von Robert Schumann 2010 in der Semperoper, das Projekt zum Wagnerjahr 2013 bzw. zum 100-jährigen Jubiläum von Strawinskys SACRE mit einem Orchester von Studierenden aus Dresden, Wrocław, Brno, Strasbourg und St. Petersburg gehören auf alle Fälle dazu aber auch die Begegnungen und Konzerte mit Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm 2015. Ein besonderer Höhepunkt war das Konzert mit Mahlers 5. Sinfonie 2023 im Konzertsaal und in der Semperoper.
Gibt es eine witzige/rührende Anekdote aus Ihren Berufsjahren, die Sie mit uns teilen wollen?
Ein Unterricht ohne einen Witz oder etwas Heiterkeit ist fast undenkbar… Wenn man von den Studierenden später selbst zu Gastspielen eingeladen wird oder auf einmal eine Freikarte für die Bayreuther Festspiele von einer dirigierenden ehemaligen Studentin erhält, ist das auf alle Fälle sehr berührend!
Was haben Sie versucht Ihren Studierenden während Ihrer Lehre zu vermitteln?
„Kunst ist wesenhafte Darstellung des sinnlich oder geistig Wahrnehmbaren in formaler Konzentration.“ nach Hans Swarowsky und „Musik als existenzielles Erfahrung [ist] Kunst als vom Geist beherrschte Magie“ nach Helmut Lachenmann. Der Weg dorthin beginnt für das Dirigieren bei Mozart und benötigt ein sauberes Handwerk. Ich habe meine Studierenden versucht, dabei zu unterstützen, ihre eigene Individualität, Emotionalität und Rationalität für ihr Dirigat in Balance zu bringen.
Gibt es eine Eigenschaft, die Sie an der aktuellen Generation Ihrer Studierenden schätzen?
Ja. Ich bin beeindruckt davon, dass sie es wagen, in diesen unruhigen Zeiten den Beruf am Dirigierpult ergreifen zu wollen! Das geht nur mit absoluter Überzeugung, mit Risikobereitschaft und Abenteuerlust! Die Wege, die meine Studierenden einschlagen, nötigen mir allen Respekt ab.
Worauf sind Sie stolz in Bezug auf Ihre Arbeit an der Hochschule?
In der Zeit meines Rektorats konnten über den Qualitätspakt Lehre fünf neue Professuren für die Orchesterausbildung eingerichtet und gleichzeitig das Institut für Musikermedizin und das Institut für Neue Musik abgesichert werden. Die HfM Dresden erhielt dafür über acht Jahre insgesamt ca. vier Millionen Euro. Im Ergebnis entstand das nun eingerichtete Dresdner Institut für Ensemble- und Orchesterentwicklung (DIEO) – eine Entwicklung, die mich mit besonderer Freude erfüllt. Damit wurde die alte Idee der Brücke zu den Dresdner Spitzenorchestern neu belebt und mit neuen Inhalten gefüllt. Dass dabei sogar Musikerinnen und Musiker der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie mittlerweile regelmäßig Pult an Pult mit dem HSO gemeinsam musizieren, hätte ich mir vorher nicht erträumen können. Gleichzeitig war die HfM Dresden der erste Mieter im damals neuen Kunstareal Kraftwerk Mitte und hat dort die Ausbildung des Lehramts Musik und der Musikpädagogik insgesamt intensiviert.
Dass von meinen 64 Studentinnen und Studenten im Fach Orchesterdirigieren mehr als 95% vom Dirigieren und der Musik leben, ist – glaube ich – eine recht ordentliche Quote. Ebenso wichtig finde ich die ca. 20 Uraufführungen der Werke von Studierenden unserer Kompositionsklassen, die ich seit 2001 dirigieren durfte.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie viele meiner Studiereden an unzähligen Orten der Welt als Dirigentinnen und Dirigenten wirken und damit auch den Ruf der HfM Dresden mehren.
Was planen Sie für Ihren Ruhestand?
Ich freue mich darauf, den zweiten Teil meiner künstlerischen Tätigkeit stärker ausüben zu können: das Komponieren! Außerdem will ich Texte schreiben bzw. bestehende zusammenfassen und veröffentlichen. Ich werde mehr Zeit mit meiner Familie mit vier Kindern und mehreren Enkeln verbringen. Als ehemaliger Kruzianer stehe ich seit 1968 – also seit 56 Jahren – regelmäßig auf dem Podium, davon seit 40 Jahren in Leitungspositionen. Verantwortung abzugeben und nicht ständig den Ton angeben zu müssen – das ist hoffentlich eine Chance für neue Kreativität.
Was wünschen Sie der HfM Dresden für die Zukunft?
Kontinuität und Leidenschaft für die musikalische Ausbildung. Einen deutlichen Fokus auf die Kunst im Gegensatz zu den Herausforderungen übergeordneter Verwaltungsvorgänge, finanzieller Einschränkungen und zentralistischer Ansätze wie dem des Bologna-Systems. Wir als Lehrende sind von diesem System ernüchtert, teilweise genervt und suchen nach Wegen, die Kreativität dennoch zu erhalten. Dass es gelingen möge, in diesen schwierigen Transformationsprozessen die Kunst im Mittelpunkt zu lassen und Selbstverwaltung und Eigenverantwortung dennoch zu stärken, wäre mein großer Wunsch. Künstlerische Ausbildung war auch zur Zeit Mozarts und Webers schon eine Herausforderung – bleiben wir optimistisch!
(Quelle: HfM Dresden)
Die öffentliche Verabschiedung von Ekkehard Klemm erfolgt mit zwei Abschiedskonzerten mit dem Hochschulsinfonieorchester am 9. und 10. Dezember 2024, jeweils 19:30 Uhr, im Konzertsaal der Musikhochschule.