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»Abschied von Ekkehard Klemm« – Wie hört sich denn das an?

Foto: M.M.

Drei Hochschulrektoren in einem Konzert, jeder mit einer anderen Aufgabe. Ein Klassentreffen?

Ekkehard Klemm auf Abschiedstour? Bis vor kurzem schien das undenkbar. Und noch immer klingt es unglaublich, wirkt unwahr, dass sich dieser charismatische Musiker am Ende der Spielzeit als Chefdirigent der Elblandphilharmonie Sachsen verabschieden wird und nun schon sein letztes Konzert mit dem Sinfonieorchester der Dresdner Musikhochschule absolviert haben soll, das er seit seit mehr als zwanzig Jahren leitet.

Zwei Abende im Konzertsaal der Hochschule läuteten dieses Finale ein. Ekkehard Klemm, am 1. Dezember vor sechsundsechzig Jahren im damals so genannten Karl-Marx-Stadt geboren (nun längst wieder Chemnitz geheißen), verabschiedet sich so langsam in den Ruhestand. Was für den einstigen Kruzianer, der in Dresden Dirigieren und Komposition studierte und alsdann in unterschiedlichen Positionen in Altenburg, Greifswald sowie am Gärtnerplatz-Theater in München wirkte, gewiss ein Unruhestand zu werden verspricht. Schließlich geriet das kreativ kompositorische Schaffen aufgrund seines Wirkens als Professor und Leiter der Dirigierausbildung sowie als Chefdirigent des Sinfonieorchesters an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, deren Rektor er von 2010 bis 2015 war, und nicht zuletzt wegen der Verpflichtungen als Künstlerischer Leiter der Singakademie Dresden und (seit 2016) als Chefdirigent der Elblandphilharmonie Sachsen viel zu sehr ins Hintertreffen.

Klemm ist ein rastloser Künstler. Nach seinem Ausscheiden aus dem Hochschulbetrieb findet er nun hoffentlich die Zeit für das Liegengebliebene – obschon er bislang in seiner kreativen und pädagogisch wirksamen Unrast nie hektisch oder gar gestresst gewirkt hat. Ekkehard Klemm war vielmehr als umsichtiger Koordinator aktiv, um, wo es Not tat, zu schlichten, den einen oder anderen Karren aus dem sprichwörtlichen Dreck zu ziehen und die Dinge auf den Weg zu bringen.

Bei seinem Abschiedskonzert an der Musikhochschule schien dies nicht nötig gewesen zu sein. Nach einer feierlichen Rede des aktuellen, erst kürzlich ins Amt eingeführten Rektors Lars Seniuk, der seinen Amtsvorgänge naturgemäß lediglich in zitiertem Lob preisen konnte, erklang die 6. Sinfonie von Wilfried Krätzschmar, der zwar als Altmagnifizenz bezeichnet werden könnte, mit diesem Begriff jedoch unzulässig auf sein Hochschulamt beschränkt wäre. Denn Krätzschmar ist mehr als nur jener Rektor, der die Musikhochschule in den sogenannten Nachwendejahren in sichere Fahrwasser gesteuert und sie in neuen Vernetzungen – etwa mit dem Staatsschauspiel Dresden höchst sinnvoll für die Arbeit der Opernklasse – zukunftssicher gemacht hat. Er ist in erster Linie ein Komponist, dessen Geltung nach wie vor viel zu sehr nur auf den engen Raum seines sächsischen Lebenskreises beschränkt zu sein scheint.

Der Dirigent Peter Gülke, der Krätzschmars Sechste in Brandenburg uraufgeführt hatte und nun auch bei der Dresdner Erstaufführung zugegen war, formulierte den Hintergrund dieses Fakts einmal so: »Wir als gelernte DDR-Bürger haben es eigentlich nie gelernt, uns in den Vordergrund zu rücken.« Ein Satz, der sowohl für ihn selbst, für Wilfried Krätzschmar als auch für Ekkehard Klemm und für zahlreiche weitere Künstlerpersönlichkeiten der östlichen Bundesländer gilt. Umso bedeutsamer, dass zum Abschiedskonzert des Chefdirigenten Ekkehard Klemm, in dem neben dem »Nachtstück«, wie Krätzschmar seine 6. Sinfonie überschrieben hat, auch Mozarts A-Dur-Klavierkonzert KV 488 sowie die an Sarkasmus nicht arme Sinfonie Nr. 6 op. 54 von Dmitri Schostakowitsch erklangen, ein vom Musikwissenschaftler Matthias Herrmann herausgegebenes Kompendium »Wilfried Krätzschmar und sein kompositorisches Werk« präsentiert worden ist.

Dieses 400 Seiten starke Buch, das in der nunmehr bei Tectum, Baden-Baden, erscheinenden Reihe der Dresdner Schriften zur Musik zum stolzen (oder eher peinlichen?) Preis von 104 Euro ediert wurde, beinhaltet neben Beiträgen von Peter Gülke und Matthias Herrmann auch eigene Texte. Darin versammelt sind zudem biografische Notizen sowie ein vollständiges Werkverzeichnis, gegliedert nach Besetzung und Gattung. Besonders lesenswert der Aufsatz »Schlüssel-Erlebnisse mit Wilfried Krätzschmar«. Verfasst hat ihn – Ekkehard Klemm.

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