Website-Icon Musik in Dresden

»Mit der Freude zieht der Schmerz …«

Das Neujahrskonzert von AuditivVokal stand im Kontrast zur ernsten Lage des Ensembles

AuditivVokal in Aktion… (Foto: Volker Metzler)

Mit Musik aus neun Jahrhunderten ist das Dresdner a-capella-Gesangsensemble AuditivVokal ins Neue Jahr gegangen. Ein Neujahrskonzert der Metamoderne war angekündigt; dessen Titel lautete »Positive Spaces«, positive Räume also inmitten von Bildender Kunst der Klassischen Moderne. Denn für dieses Konzert waren die Sängerinnen und Sänger Mitte Januar im Leonhardi-Museum zu Gast, wo momentan noch passend zur Musik eine Ausstellung mit Arbeiten des Konstruktivisten Wilhelm Müller zu sehen ist.
Welch positive Räume sich das Ensemble da erschlossen hat und wie es 2025 weitergehen soll, das hat tatsächlich einige Fragen und Kontraste aufgeworfen. Denn das 2007 vom Dirigenten Olaf Katzer gegründete Ensemble ist ebenso für seine ausgeprägte Stimmkultur bekannt und berühmt wie für seine Ambitionen, Alt und Neu miteinander zu verbinden. Im gut besuchten Leonhardi-Museum erklangen denn auch Kompositionen von Guillaume de Machaut bis Felix Mendelssohn Bartholdy, von Gerhard Stäbler bis Kunsu Shim und René Hirschfeld.

Musikalisch taten sich durchaus positive Räume auf, zumal dieses Neujahrskonzert der »Positive Spaces« auch durchweg von künstlerischer Exzellenz getragen war. Olaf Katzer erhofft sich für das Jahr 2025, „gesellschaftliche Herausforderungen gemeinschaftlich anzugehen, dass wir in unserer Gesellschaft die Energien bündeln können und möglichst von dem Bekämpfen weiter Abstand nehmen.“
Ein über das rein Musikalische weit hinausgehender Anspruch, der dem Künstlerischen Leiter und den aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammenden Ensemblemitgliedern von AuditivVokal enorm wichtig ist. Doch nicht nur die weite Weltlage sowie gesellschaftliche Abgründe im engeren Raum werfen dunkle Schatten auf die normalerweise himmelblauen Ambitionen. Olaf Katzer: „Wir hatten Ende vergangenen Jahres sechs, sieben Hiobsbotschaften vom Bund, vom Land und von der Stadt, die haben sich jetzt auch in das neue Jahr hingezogen,“ drückt der Dirigent sein Bekümmernis aus. Weist aber auch auf Lichtblicke hin: „Über die bin ich sehr froh. Wir haben den Freundeskreis von AuditivVokal gegründet, mit sehr engagierten, interessierten Bürgern, die uns bereits mit einer relativ hohen Summe an Spenden unterstützt haben, darüber bin ich sehr glücklich.“

Foto: Wenzel Oschington

Ein Ersatz für die in der gegenwärtigen Kulturförderung allseits drohenden Kürzungen kann das allerdings nicht sein. Dessen ist sich Olaf Katzer durchaus bewusst. Er sei glücklich, für das Grundanliegen seines Ensembles grundsätzlich Resonanz zu finden. Die wahren Probleme entstünden jedoch erst in etwa einem halben Jahr, wenn die bereits vor längerer Zeit geplanten Projekte umgesetzt sind. „Es geht ja jetzt um die Projekte in der zweiten Jahreshälfte und auch im kommenden Jahr, und da sind noch große Herausforderungen zu bewältigen.“
Beinahe schon programmatisch klang da das Neujahrslied von Felix Mendelssohn Bartholdy zu einem Text von Johann Peter Hebel:

Mit der Freude zieht der Schmerz traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste, bange Sorgen, frohe Feste
wandeln sich zur Seiten.

Bangigkeit will Olaf Katzer aber nicht aufkommen lassen. Er ist sich bewusst, dass die gegenwärtigen Probleme nicht nur für AuditivVokal bestehen, und weist darauf hin: „Das ist die große Schwierigkeit, die betrifft den ganzen Freistaat Sachsen. Die Kulturstiftung durfte jetzt nur zehn Prozent ausschütten von dem, was sie sonst ausschüttet, davon waren wir genauso betroffen wie viele andere. Wir sind jetzt ganz stark am Rudern mit unseren Planungen. Dieser nicht beschlossene Haushalt bringt nicht nur uns, aber auch uns in große Schwierigkeiten, wir hoffen natürlich, dass jetzt rasch ein Haushalt beschlossen wird.“
Problematisch für ein solches Ausnahmeensemble ist sicherlich, dass es – im Gegensatz zu populäreren Chören – keine große Lobby für ihre avancierte Programmatik besitzt. Damit umzugehen, so Katzer, „ist unser künstlerischer Ansatz, unser Wille, auch mit anspruchsvoller Materie Menschen zu begeistern und sicherlich immer auch den Blick zu haben für Menschen, die noch nie Berührung hatten mit Neuer Musik, gleichzeitig auch immer up to date zu sein, was weltweit an Errungenschaften passiert, an Notwendigkeiten, weil die Gesellschaft heutige künstlerische Resonanz ja wirklich braucht! Wir wollen die mit den geplanten Uraufführungen, in der Zusammenarbeit mit Komponisten, Philosophen, Soziologen und Psychologen auch geben, auf dieser Ebene haben wir sehr viel Rückenwind.“
Einerseits erfährt AuditivVokal also durchaus Bestätigung, andererseits verspürt das Ensemble ausbleibende Förderung. Hinzu kommt jedoch noch ein Drittes, der eigene Versuch, mit diesem Dilemma umzugehen, gibt sich Olaf Katzer zuversichtlich: „Wir schauen auch nach Wegen, dass wir manche Programme, ohne uns zu verbiegen, für eine größere Zuhörerschaft nicht umbauen, aber durchaus aktiver angehen. Jedes Programm hat den Anspruch, dass wir alle Menschen erreichen, nicht nur ein Spezialpublikum. Es gibt dieses Bedürfnis.“
Dirigent Olaf Katzer und die Mitstreiter von AuditivVokal schaffen also nicht nur positive Räume,»Positive Spaces«, sondern gehen auch mit positiven Gedanken und Engagement an ihre Zukunft heran. „Ich hoffe, dass wir mit den Energien, die wir uns selber geben, dann auch die richtigen Schritte finden um das Überleben zu sichern.“

Die mobile Version verlassen