Die Venus holt den Mars nicht ein. Trotzdem ist die Liebe stärker als der Krieg. Was geistige Menschenarmut den Himmelskörpern mit Hilfe der Namen von ausgedachten Göttinnen und Göttern angetan hat, ist längst Geschichte und interessiert heute kein denkendes Wesen mehr.
Während ein Dauer-Twitterer, der Donald Duck ähnlicher scheint als jedem Realpolitiker, höhere und noch höhere Rüstungsausgaben fordert, geben sich finanziell äußerst spärlich ausgestattete Ensembles und Festivals alle Mühe, den Friedensgedanken wieder in die Welt zu setzen. Denn seien wir ehrlich: „Schwerter zu Pflugscharen“ klingt den meisten Zeitgenossen heutzutage eher nostalgisch im Ohr.
Das Heinrich-Schütz-Musikfest, wenngleich unter der Schirmherrschaft von Deutschlands derzeit allerobersten Aufrüsterin, hat sich in diesem Jahr dem Thema „Verley uns frieden“ im Zeichen der Taube verschrieben. Da wurden musikalisch die kriegerischen Schütz-Zeiten reflektiert, gab es thematisch passende und künstlerisch herausragende Anspielungen auf den Klang der Kunst in Krieg und Frieden, da hat es Grenzüberschreitungen gegeben, die tiefe Harmonien deutlich machten, wo oberflächlich nur Dissens vernehmbar schien. Das immens wichtige Thema wurde auch künstlerisch gespiegelt, indem etwa Spielstätten wie Dresdens Jazzclub Tonne – neben all den mit Heinrich Schütz verbundenen Orten – ins Programm mit einbezogen worden sind. Dass dort ein Barde wie Wenzel für volles Haus gesorgt hat und mit seinem sehr bekenntnishaften Konzert eine Brücke vom Heute hin zu Schütz und Dreißigjährigem Krieg wieder zurück in die kriegerische Gegenwart geschlagen hat, kann den Veranstaltern um Christina Siegfried gar nicht hoch genug angerechnet werden. Wünschenswert wäre natürlich, wie immer bei solch engagierter Programmatik, dass auch all jene erreicht würden, die sich keine Gedanken um ihre und unser aller Zukunft machen. Will, darf oder soll die Menschheit tatsächlich schon bald wieder dahin geraten, dass scheinheilig gemeint wird, man hätte von nichts was gewusst?
Nein! Gerade im Medienzeitalter ist beinahe jeder Mensch überall auf der Welt in der Lage, sich ein Bild zu machen vom Unrecht, das im Namen von Klerus und Kapital, von Gottheiten und Geldgier geschieht. Solch ein Musikfest kann nur gemahnen und daran erinnern. Den Lauf der Dinge ändern oder gar aufhalten kann es nicht.
Das kann auch die Singakademie Dresden nicht, die sich derzeit auf Konzertreise in Südafrika befindet. Mit Ekkehard Klemm und weiteren Chören wurde zunächst in Dresden sowie anschließend in Johannesburg und Kapstadt das »War Requiem« von Benjamin Britten aufgeführt – ein Bekenntnis zu Versöhnung und Frieden. Der Ursprungsgedanke dieses großartigen Werkes ist bekannt. Er entsprang den Zerstörungen von Coventry, Dresden und weiter Teile Europas durch den imperialen Faschismus. Gauländer, die solche Verbrechen leugnen und an Deutschlands braune Vergangenheit anknüpfen wollen, werden mit dem Friedensgedanken dieser Musik nicht zu bekehren sein. Wohl aber dessen Gefolgschaft: wenn sie sich nicht vernebeln lassen will, sondern klug und besonnen genug ist, um sich der unmenschlichen Hetze und Verdummung zu erwehren.