Ballroben, Smokings und Live-Musik. Am Freitag war es endlich wieder so weit. Der Semperopernball lockte alte und junge, berühmte oder einfach nur reiche Menschen aus nah und fern zum 14. Mal nach Dresden. Eine Ballnacht, so verzaubert, das sogar Cinderella ihren gläsernen Schuh hier verlieren könnte. Aber moment: hätte bei Cinderellas Ball auch Andreas Gabalier auf der Bühne gestanden?
Nicht nur dieser „Schunkel-Höcke“ entlockte mir ein Staunen darüber, womit sich die hochklassigen Opernballbesucher zufrieden geben. Bevor sich die Frauen und Männer schmachtend um die Bühne versammelten und den Volks-Rock’n-Roller, der sich dieser Tage außerhalb der Dresdner Stadtgrenzen gegen Vorwürfe des Rechtspopulismus, der Homophobie und der Frauenfeindlichkeit erwehren muss, mit Einstecktüchern bejubelten, wurde ihnen noch viel mehr geboten. Denn wie wir wissen, will der Ball der Semperoper alle möglichen und unmöglichen Formen des Entertainments kombinieren.
Innerhalb eines Programmes über zweieinhalb Stunden (!) priesen Laudatoren die Preisträger des St.-Georg-Ordens; die Besucher erlebten unter anderem das Moderatorenpaar Sylvie Meis und Roland Kaiser, die sich als Wiedergänger der „Drei Tenöre“ für ihre Interpretation von “We are the champions” auf dem Theaterplatz von tausenden Zuschauern feiern ließen. Da durfte natürlich auch der Dresdner Kreuzchor nicht fehlen. Schließlich ist der Chor eine Institution, die sich jedem Steuerzahler präsentieren möchte. Diesmal taten sie das mit einer Bearbeitung des beliebten ABBA-Songs »Thank you for the music«, der passend zum Motto des Abends gewählt wurde: »Faszination Dresden – Träume werden wahr«. Bedrückend, wie unglücklich ein Knabe aussehen kann, der “I’ve been so lucky, I am the girl with golden hair” singt. Doch nicht nur diesen Auftritt des Hashtag-Chores #derchor mussten wir über uns ergehen lassen, sondern auch allerlei Lobeshymnen der Laudatoren und altbekannte Wortwitze von Frau Meis und Herrn Kaiser. Besonders lachten die Zuschauer über seine Feststellung: “Ich bin nicht nur Graf, ich bin sogar Kaiser”. Da hätte ich mir den Kreuzchor am liebsten wieder auf die Bühne gewünscht – indes, sein zweiter geplanter Auftritt an diesem Abend wurde abgesagt.
Nunja, träumen darf jeder. Einige träumen vielleicht von einer besseren Welt und tragen ihren Teil dazu bei. Fürst Albert von Monaco und Elke Büdenbender wurden für ihre Bemühungen ausgiebig geehrt. Cinderella träumt von einem besseren Leben, fern ihrer bösen Stiefmutter, andere träumen davon, die Fußballweltmeisterschaft für sich zu entscheiden, die Welt des Films zu erobern, oder wie die ehemalige Bachelorette Jessica Pazka es formulierte: “einfach mal eine Prinzessin zu sein”. Dieses Ziel erreichten am Abend einhundert junge Frauen, die als Debütantinnen in die Gesellschaft der Reichen und Schönen eingeführt wurden. Alle in einheitlichen Kleidern, mit gleichem Makeup, Frisuren und Schmuckstücken gaben sie ein wunderbares Bild davon ab, was Jahrtausendwendekinder vom Aus-der-Reihe-Tanzen halten. Was für eine Choreographie: Die Männer führten, die Frauen wurden präsentiert. Einige Promis verleihen der Situation Worte, indem sie mit glänzenden Augen davon schwärmen, dass das Schönste an diesem Abend all’ die wunderschönen Frauen in ihren noch viel schöneren Kleidern sind. Nachdem die geduldigen Gäste nun also all das und noch viel mehr zu sehen bekamen, durften sie endlich, endlich selbst auf die Bühne. Die Tanzfläche wurde eröffnet; und begleitet von den Semper Strings, entwickelte sich für kurze Zeit echter Cinderella-Zauber.
Und dann kam Andreas Gabalier auf die Bühne. Ohne ein Klischee auszulassen, präsentierte er sich in Smokingjacke und kurzer Lederhose. Anzugschuhe waren ihm wohl zu unbequem, deswegen griff er zu den praktischen Ankleboots, aus denen seine Socken rausschauten. Von diesem Moment an wurde richtig gefeiert in Dresden. Nicht nur vor der Oper, auch im Saal tanzten, sangen und jubelten die Menschen. Und mein Cinderella-Traum war schlagartig zu Ende. Nachdem sich Gabalier über mehrere Songs hinweg feiern ließ, sich bei seinen Fans bedankte und natürlich auch jeglichen Vorwürfen der Homophobie und Frauenfeindlichkeit widersprach, machte man in knapp fünf Minuten noch einmal Werbung für das diesjährige Charityprojekt, das natürlich eine großartige Sache darstellt, weil es einfach ein “ganz tolles Projekt ist”. Mehr Worte wollte man dazu auch wirklich nicht verlieren, denn die Ballgäste, berauscht von Gabalier, wollten nur noch tanzen. Und das durften sie dann auch letztendlich ohne weitere Unterbrechungen ab ca. zwei Uhr nachts. Das hatten sie sich auch alle wirklich verdient.