Bis zum 10. Juni sind wir nun fast täglich in bessere Welten entrückt. Die Musikfestspiele tragen uns über den Wahlsonntag, machen diverse Idiotien des Alltags vergessen und vielleicht, vielleicht geben sie uns Visionen besserer Zeiten.
Im Scherz hatten René Pape heute Abend seine Notenmappe bereits zugeklappt und Richtung Bühnenausgang getragen – da trat er doch noch mal hinters Pult und sang
Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden,
Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt,
Hast du mein Herz zu warmer Lieb‘ entzunden,
Hast mich in eine beßre Welt entrückt!
Es war eine freundliche Geste nach vielen rabenschwarzen Liedtexten – in tiefer Lage klingen die Orchesterbearbeitungen der Schubert-Lieder noch einmal extra-Vantablack. Und teilweise irritierend spröde – ja, wer ist dieser „Stuchasch Dyma“, den das Programmheft als Arrangeur nennt? Und wann hat er die Arrangements auskomponiert? Das Internet kann leider keine Auskunft geben. Es ist ja ein interessanter Gedanke: welchem Originalklang das Dresdner Festspielorchester und René Pape hier eigentlich hinterherspüren.
Bei Webers »Euryanthe«-Ouvertüre und Schumanns »Frühlingssinfonie« war die Zielstellung klarer. Die im Publikum anwesenden (und im Orchester mitspielenden) Dresdner Musiker, die kürzlich eine Schumann-Gesamteinspielung auf dem Notenpult stehen hatten, dürften mit den Ohren geschlackert haben. Ein lustvoll scharfer, vibratoloser, in den Holzbläsern dennoch runder Klang tönte hier von der Kulturpalastbühne. Ein Genuss!, und ein würdiger Auftakt für die diesjährigen Musikfestspiele. Ganz kurz nur fühlte ich mich an die jüngste Diskussion um Kaufmann vs. Elbphilharmonie erinnert. Täusche ich mich, oder wurde Papes Singstimme am Anfang (unabsichtlich) elektrisch verstärkt? Seltsame Raumeffekte traten jedenfalls auf, bevor sich Orchester und Sänger eingegroovt hatten. Der Rest des Abends – ein Fest.