Potzblitz! Eigentlich hatte das Ensemble AuditivVokal Dresden das Gras wachsen hören lassen wollen. Stattdessen gab es am Pfingstdienstag dunkles Donnergrollen über dem Großen Garten, wo das Ensemble inerhalb der Konzertreihe «Mensch & Natur» von KlangNetz Dresden beim Offenen Palais gastierte. Das aber hatte nur Auswirkungen auf die ursprüngliche Idee, mit einigen Stücken tatsächlich auf der Wiese vor dem Palais zu wandeln und daselbst einige Erkundungen im Grasbereich vorzunehmen. Es wäre eine etwas nasse Angelegenheit geworden, kaum weniger künstlerisch, aber die Vokalisten entschieden sich dann doch, in den schützenden Mauern zu performen.
Letztlich passte auch dieses Wetter eigentlich wunderbar zum Programm, zur Unvorhersehbarkeit neuester Musik, die auch mal wie ein Gewitter über den Zuhörer kommen kann, und Naturgewalt findet sich schon mindestens seit Gesualdo in der Musikliteratur. Wohl auch daher ein Grund, dass das Ensemble um seinen Leiter Olaf Katzer auch einige Madrigale des 17. Jahrhunderts ins Programm aufgenommen hatte. Mensch-Natur meint eben nicht nur den samstäglichen Rasenmäherterror, sondern in der Natur liegt auch das Liebesleid eines „Moro Lasso“ der Renaissance, das hier zu natürlich-menschlichen, bei Gesualdo allerdings manchmal im chromatischen Tränenmeer endenden Regungen führt.
Mehr Gartenschere, mehr Graswispern und auch duettiertes Stehdating im Park gab es bei den spanischen Beiträgen im Programm, denn einige der Stücke waren im Rahmen eines Kompositionskurses in Barcelona entstanden, wo die junge spanische Szene sich am Ensemble ausprobieren konnte. Wenngleich die jungen Komponisten Jon Yu, Demian Rudel Rey, Manu Sánchez García und Alfred Jimenez im Garten zum Teil etwas rabiat zu Werke gingen und in den Partituren einiges an nicht humusfähigen Material aufschichteten, waren das doch sehr interessante Stücke, insbesondere Manuel Sánchez Garciás in drei Teilen präsentierte «physis-delusion» erzeugte in der Duo-Reduktion eine spannende Klangwelt. Da hatten die Sängerinnen und Sänger ordentlich zu tun und teilweise auch noch mit Hilfsmitteln, Handys und sich überstolpernden Texten zu kämpfen: der Garten kann auch ein Dickicht sein.
Doch das Tuesdays-for-Gardening-Konzert hatte auch noch ein anderes Element, das sich auf sanft-subtile Weise durch das Konzert zog: Humor. Und so erfuhr man in einer Art TV-Kaufkanal-Live-Vertonung, welche Gartenschläuche aktuell im Trend liegen und wann bitte die Bewässerung stattzufinden hat. Auch Polarfüchse liefen herum, verfolgt von der Gartenschere, was in Verbindung mit Melchior Francks eher biergartenseligen Madrigalen zu Wirrungen in den Hirnfäden führte.
Für so einen kurzweiligen Abend war man höchst dankbar, und natürlich darf auf freudvoll erwähnt werden, dass das Ensemble hochkonzentriert bei der Sache war und vom Marienkäferkrabbeln bis zum Unkrautentdeckungsschrei alle avancierten Techniken der vokalen Klangerzeugung demonstrierte. Nach dem Konzert ging es dann draußen weiter. Kawumm.
- die nächsten Termine der Konzertreihe Mensch und Natur sind auf der Website von KlangNetz Dresden zu finden.