„Ich lade gern mir Gäste ein…“ Man muss sich nur als Intendant bezeichnen (was ja keine geschützte Berufsbezeichnung ist), schon kann man frohgemut diesem Couplet des Prinzen Orlofsky aus der Johann-Strauß-Operette »Die Fledermaus« Folge leisten. Und eine Reihe von Konzerten mit bester Unterhaltungsmusik als Festival bewerben, dieses Festival gar als das „vielfältigste und längste Jazzfestival Deutschlands mit mehr als 80 Konzerten, knapp 40.000 Besuchern und 500 Künstlern aus 30 Nationen an 23 Spielstätten“ hochstilisieren. Wobei das Programm seit Jahren weitgehend mit immer denselben Namen aufwartet.
Im aktuellen Jahrgang allerdings ist neben allerlei Langweilern und heftiger Selbstdarstellung (Klazz Brothers) eine überraschende Position verzeichnet. Daniele Ganser spielt kein Instrument und singt auch nicht. Der Schweizer Pastorensohn macht überhaupt keine Musik und sowieso keinen Jazz, sondern wird einen Vortrag halten. Just am 25. Oktober, dem Tag jener Bewegung, die Dresden seit nunmehr sechs Jahren entweder in Misskredit bringt oder – je nach Perspektive – entlarvt.
Ganser stammt aus dem schönen Lugano, wo mit dem Estival Jazz ja immerhin die (einem Internet-Lexikon zufolge) „grösste Jazz-Veranstaltung Europas“ ausgerichtet wird. Also alles nur eine Frage der Gigantomanie?
Mitnichten. Die Jazztage Dresden erhalten eine durch regelmäßige Bittgänge erstrittene Geldsumme öffentlicher Unterstützung. Die ihnen gegönnt sei – schließlich wird damit ein unterhaltungssüchtiges Publikum beglückt, das sonst vielleicht auf Gedanken kommen könnte. Just dies soll nun aber mit dem eingeladenen Verschwörungstheoretiker geschehen. Der 1972 geborene Autor und Historiker hat eine Reihe von Schriften etwa über N.a.t.o.-„Geheimarmeen“ und den 11. September 2001 publiziert. Auf was für Gedankengänge könnte (oder will) er seine Zuhörerschaft bringen? Der Mann wird als „Verwaltungsrat“ des Swiss Institute for Peace and Energy Research A.G. (S.I.P.E.R.) bezeichnet, einer aus vier Herren bestehenden Aktiengesellschaft, die sich als unabhängiges Institut bezeichnet und die Menschheit mit öffentlichen Vorträgen und Büchern beglücken will.
Dabei sollen die „Jazztage“ doch erst kürzlich noch postuliert haben, auf regionale Künstlerinnen und Künstler zu setzen, um diese zu unterstützen. Kein Wort davon, dass andere Gäste aufgrund von Reisesperren und Beherbergungsverboten gar nicht erst hätten nach Dresden reisen und hier auftreten können. Ob angesichts des Schweizer Neu-Deuters nun auch alle bisher geköderten Gäste und Ensembles nach Dresden kommen wollen, bleibt abzuwarten. Einer der bekanntesten Gäste hat bereits abgesagt. Wie kommen die „Jazztage Dresden“ nur auf solche Ideen?
Vielleicht liegt die Antwort auch darauf im Reich der Operette. Wie singt Orlofsky doch so schön? „Warum ich das denn tu? ’s ist mal bei mir so Sitte, Chacun à son goût!“