Wer es vor kurzem gewagt hat, Dresdens bedingungslos brachial brüllendes Stadtfest zu kritisieren, galt umgehend als Spielverderber. Wer diesem sogenannten Oberbürgermeister dieser Stadt (dem böse Zungen im übrigen – wie bereits seinen diversen Amtsvorgängern – allenfalls die Verantwortung für Pirna Süd zutrauen würden) ein besonderes Händchen für Brot und Spiele attestiert, der hat die Anwartschaft auf eine Ehrenbürgerschaft im trauten Elbtal wohl längst schon verspielt.
Dass just diesem Großpolitiker jedoch schon im vergangenen und nun erst recht in diesem Jahr kein politisches Ziel populistisch wichtiger zu sein scheint als das Stattfinden des Weihnachtsmarktes – vulgo: Striezelmarkt – fällt allerdings auf. Ist unübersehbar. Wer dies offen moniert, hat angeblich die Sorgen der Kleinunternehmer und Krämer nicht verstanden, die auf das große Geschäft mit brauner Bratwurst, klebrigem Glühwein und süßem Stollen hoffen. Hätte ja niemandem zugemutet werden können, in nur wenig mehr als einem Jahr wirtschaftlich mal so eben umzuschwenken und über neue Geschäftsideen nachzudenken. Wurde von der Lufthansa A.G. und den Volkswagen-Betrügern schließlich auch nicht verlangt.
Nun aber wächst so langsam die Einsicht, dass sich mal wieder etwas verändert hat in dieser auch sonst gar nicht so gleichförmigen Welt. Manche nennen es Pandemie, andere sehen noch immer Phantasmen darin. Weder der Versuch, die Dinge zu verstehen, noch der, sie zu verdrehen, kann komplett ignoriert werden.
Im Gegensatz zum früher verbreiteten Geschichtsbild, demzufolge Entwicklungen sich zyklisch einstellen, haben wir es nun mit einem mehrstufigen Wellenmodell zu tun. Das allerdings ganz ondulent über uns hereinbricht, Weltanschauungen, Götterglauben und künstlich gezogene Grenzen nicht kennt, um einfach nur Fakten zu schaffen. Meist krankhafte, oft sogar tödliche Fakten.
Da sich nun aufgrund neuerlich steigender Wellenberge sogar die sonst weitgehend beratungsresistente Politik in der Pflicht sieht, den Gegebenheiten nicht nur hinterherzulaufen, sondern vielleicht bald schon rigide zu handeln, steht sie natürlich sofort in der Kritik. Da drohen nicht nur Sportveranstalter und -verbände, sondern wettert auch ein über seine Stadtteilgrenze hinaus als Besserwisser bekannter Weihnachtsmann mit trotzig grauem Bart, dass nun irgendwo und irgendwann auch mal das Ende von Fahnenstangen erreicht sei: „Hier ist Schluss!“
Angesichts von nahezu 100.000 Corona-Toten allein in der Bundesrepublik Deutschland ein irgendwie fragwürdiges Politikverständnis, das der wüste Wutbürger so formuliert: In einer Demokratie gebe es nicht nur Mehrheiten, sondern auch Minderheiten. Die sollten nicht ausgegrenzt werden.
Wohl wahr: Nichts geht über Minderheitenschutz! Was aber doch bitte nicht bedeuten sollte, dass nun gleich der Wahn vom Weihnachtsmarkt das Sagen hat? Es könnte allerdings sein, dass der traurige Rest der Welt auf ein kunterbuntes Unterhaltungsfestival, das in der jüngeren Vergangenheit gern mal auf „freiwillige Infektionsgruppen“ gesetzt hat – sein Publikum also wissentlich einem unabsehbaren, sogar lebensgefährlichen Krankheitsverlauf aussetzend -, verzichten muss.