Fast fünfzehn Jahre lang war das Cosel-Palais an der Frauenkirche die Heimat des „Dresdner Pianosalons“. Heute begrüßt die klavierspielende Kundschaft jedoch nicht mehr der Klavierbauer Bert Kirsten, sondern Max Schneider-Grajcarek. Wie Kirsten in Seifhennersdorf ausgebildet, ist der gebürtige Sorbe nach sieben Wanderjahren durch verschiedene C. Bechstein-Centren in ganz Deutschland nun wieder in Sachsen heimisch geworden. Der Pianosalon firmiert seitdem als „C. Bechstein Centrum Dresden“ – und das ist am Wochenende schon zum dritten Mal Austragungsort für einen ganz besonderen Wettbewerb.
Max Schneider-Grajcarek, viele Hiesige kennen diese Räume im Coselpalais noch als „Pianosalon Kirsten“…
Ja, der Pianosalon ist ein Begriff, viele Kunden sind wegen des neuen Namens verwundert. Die Verkaufsräume und den kleinen Konzertsaal im Coselpalais hat die Firma C. Bechstein 2021 von Herrn Kirsten übernommen, die damaligen Mitarbeiter sind teilweise geblieben. Danach begann ein zweijähriger Umbau, wir haben viel investiert und hatten bisher einfach nicht die Zeit für eine große Feier. Für die Region Dresden fände ich es schön, wenn wir irgendwann noch ein richtiges Eröffnungsevent machen.
Bei unserem kleinen Rundgang habe ich klingende Namen auf den Instrumenten gelesen: C. Bechstein, W. Hoffmann, Zimmermann, aber auch diverse andere Marken wie Förster, Blüthner und sogar Steinway.
Das ist einfach zu erklären: der Gebrauchtmarkt an Klavieren und Flügeln ist übersät von Instrumenten in den verschiedensten Zuständen. Viele Kunden haben aber keine richtige Erfahrung, was den Klavierklang und technische Möglichkeiten angeht. Dafür sind wir dann da und freuen uns über jeden, der zu uns kommt und uns ausfragt.
Ich mag unser altes Zimmermann-Klavier aus der Seifhennersdorfer Fabrik. Mit welchen Klangargumenten überzeugen Sie mich, es einmal mit C. Bechstein zu versuchen?
Wenn ein Blüthner-Fan hier zur Tür hereinkommt, werde ich ihm wahrscheinlich keinen Bechstein-Flügel verkaufen können. Meistens haben sich die alten Hasen bewusst für einen Klang entschieden. Aber es ist letztendlich so: Instrumente entwickeln sich, egal von welcher Marke. Die Konzertsäle sind größer geworden, und alle Marken gehen mit den akustischen Anforderungen mit. Spielen Sie sich doch ruhig mal durch unsere Ausstellung!
Wie würden Sie denn den Klang eines C. Bechstein-Flügels beschreiben?
Das ist eine extrem schwierige Frage. Es gibt viele Geschmäcker. Man kann einen C. Bechstein-Flügel anspielen und zehn Fans werden den Klang anders beschreiben. Grundsätzlich ist der Klang ein Prozess, der sich seit Bestehen der Firma C. Bechstein (1853) stetig entwickelt. Das Resultat ist ein wundervoll gesanglicher, farbenreicher Ton ohne metallische Härten.
Auf den Konzertpodien sind Steinway-Flügel seit Jahrzehnten omnipräsent. Haben kleinere Firmen überhaupt noch eine Chance, jemals ein Stückchen von diesem Kuchen abzubekommen?
Natürlich würde mich das als „Bechsteiner“ und Sachse freuen, die Marke C. Bechstein auf der Konzertbühne publiker zu machen, wieder eine gewisse Vielfalt herzustellen. Es wäre toll, wenn Pianisten für bestimmtes Repertoire wieder zu einer Vielfalt der Marken finden würden. Wenn verschiedene Klänge einfließen und man nicht die 365. Einspielung der Goldberg-Variationen auf dem Studio-Steinway herausbringt.
Wie knackt man so ein Monopol?
Hier am Neumarkt können wir unsere Flügel Musikern aus aller Welt zeigen, die vielleicht noch nie von C. Bechstein gehört haben. Die Problematik ist eher: es sind auch viele alte Instrumente im Umlauf, die in der Regel schlecht gewartet sind. Das ist dann natürlich für einen Solisten ein anderer Klang-Eindruck.
Wenn nun ein Gastsolist der Staatskapelle käme und sagte: ich will das Mozart-Konzert morgen auf einem C. Bechstein-Flügel spielen – würde das Haus das realisieren können?
Das ist eine gute Frage, allerdings wäre es eine sehr kurzfristige Anfrage. Ein C. Bechstein-Flügel, den die Oper von uns erworben hat, steht meines Wissens in einem der Proberäume. Inwieweit er für Konzerte genutzt werden könnte, weiß ich gar nicht. Zum Carl-Maria-von-Weber-Wettbewerb hatten wir letztens unseren „D“-Flügel auf der Bühne. Und der kanadische Musiker Chilli Gonzalez hat sich zu den Dresdner Musikfestspielen dezidiert unseren D-Flügel auf der Bühne der Semperoper gewünscht. Da wurde dann natürlich ein Exemplar angeliefert.
Auch Zimmermann-Klaviere stehen hier um uns herum, aber die kommen gar nicht mehr aus Seifhennersdorf, oder?
Für den Einsteiger oder für die Kunden, die erst mal nicht so viel Geld ausgeben möchten, haben wir Klaviere dieser Marke im Programm, die früher in Seifhennersdorf produziert wurden. Seit 2013 werden die in einer Fabrik in China hergestellt, nach Europa geliefert, und wir überprüfen sie und bearbeiten sie für den Kunden nach.
Kann man die sächsischen Gene im neuen Zimmermann-Klang da überhaupt noch erspüren?
Grundsätzlich hat jede Marke ihre Eigenheiten. Ehrlich gesagt, hat der jetzige Zimmermann-Klang mit dem sächsischen nicht mehr so viel zu tun. Der VEB Piano-Union Zimmermann, das war ein staatlicher Betrieb, in dem schon meine Oma gearbeitet hat. Die Qualität des Klavierbaus im Osten war früher unter Klavierbauern etwas verpönt. Man musste eben das Material nehmen, das zur Verfügung stand. Aus der kurzen Nachwende-Phase 1992-1994, als C. Bechstein die Firma übernommen hatte und Zimmermann-Klaviere in Seifhennersdorf produzierte, gibt es sehr gute Instrumente. Natürlich sind diese nicht vergleichbar mit jetzt. Heute haben wir ein großes C. Bechstein-Kompetenzzentrum für Entwicklung und Forschung in Seifhennersdorf, um unseren zukünftigen Künstlern gerecht zu werden.
Wer kauft heutzutage für 200.000 Euro einen Bechstein-Flügel?
Ja, wer kann sich so einen D-Flügel ins Wohnzimmer stellen? Das macht nicht wirklich Sinn. Verkauft haben wir den D-Flügel in der Region Dresden tatsächlich auch schon. Die kleineren Modelle aber sollte sich jeder leisten, der Musikunterricht anbietet. Ein guter Flügel fördert die Kreativität und die Motivation. Nun weiß man ja, was aktuell so los ist. In China, unserem zahlenmäßig größten Absatzmarkt, gab es 2021 einen desaströsen Einbruch, als die Regierung ein Gesetz abschaffte, das jungen Leuten den Gang auf die Oberschule erleichterte, wenn sie eine strenge Prüfung im Klavierspiel ablegten. In der Folge dieser Reform schlossen landesweit 200.000 Musikschulen und auch 25.000 Klaviergeschäfte. Aber auch in Deutschland werden ja momentan Gelder im kulturellen Bereich gestrichen. Darunter werden sicherlich auch die Musikschulen leiden. Das Seifhennersdorfer Werk hat im September zum wiederholten Mal Kurzarbeit anmelden müssen.
Um Musikschüler trotzdem mit C. Bechstein bekanntzumachen, veranstalten Sie nun am Wochenende einen Wettbewerb der Begegnungen. Was erwartet das Publikum dort?
Seitdem wir hier am Neumarkt sind, versuchen wir, noch intensiver mit vielen Musikschulen aus Dresden und Ostsachsen zusammenzuarbeiten und ein Wegweiser zu sein. Wir wollen die Kultur unterstützen. Mit dem Musikverein Paukenschlag haben wir ein Beispiel, wo diese Zusammenarbeit schon richtig gut läuft und wir die Musikschule mit Instrumenten unterstützen.
Den Wettbewerb führen wir zum dritten Mal durch. Er ist noch nicht ganz so publik; dieses Jahr ist es wahrscheinlich das erste Mal, dass man es auch öffentlich mitbekommt. Wir freuen uns sehr: circa dreißig Schülerinnen und Schüler verschiedener Musikschulen werden von den Lehrern ausgewählt und bei uns von einer Fachjury beurteilt. Sie verteilt auch die Preise. Für viele Mitwirkende ist es ein Erlebnis, sich zwei Tage lang in Dresden mit Gleichaltrigen zu messen und ein Abschlusskonzert zu geben. Das Repertoire ist dieses Jahr französisch, reicht von Debussy, Ravel über Chopin bis zu Yann Tiersen und es gibt verschiedene Altersklassen und Preiskategorien. Ich kann schon versprechen: es geht niemand leer aus.
Vielen Dank für das Gespräch.