Exaktheit des Duracellhasen: das Waseda Symphony Orchestra Tokyo (Foto: PR)
300 Musiker zählt das Waseda Symphony Orchestra der gleichnamigen, 1882 gegründeten Privat-Universität. Sie studieren Philosophie, Jura, Wirtschafts- oder Naturwissenschaften. Nur eines nicht: Musik! Dass das Orchester die
am Montagabend dargebotenen Werke – unter anderem Straussens »Heldenleben« op. 40 – mit hoher Präzision in teilweise erstaunlichem Tempo darbot, darf nicht überraschen; schließlich gilt das Orchester als Aushängeschild wie andernorts die College-Football-Truppe und darf sich zu den weltweit besten Jugendorchestern zählen. Jedes europäische Laienorchester dürfte sich glücklich schätzen, hätte es nur halb so viele gute Leute im Boot.
Trotzdem, ein paar Fragen blieben offen. Nicht das Repertoire betreffend: so wird die Schönbergsche Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge in Es-Dur BWV 552 zwar in Europa heute, in Zeiten historischer Aufführungspraxis, seltener gespielt als noch vor zwanzig, dreißig Jahren; eine gute Wahl für das Orchester ist das Stück in jedem Fall, und sicher nicht einfach in seiner komplexen Struktur von sich überlagernden Motiven und Kleinstbausteinen, die alle perfekt zusammenpassen müssen. Und dann irgendwie doch das Repertoire betreffend: hat sich das Orchester am »Heldenleben« nicht doch kräftig überhoben? Gerade wer das Werk in der Semperoper aufführt, weiß “den Riesen hinter sich”, muß sich an Staatskapellen-Meisterschaft messen lassen. Und da waren die Unterschiede doch himmelhoch, und die Interpretation am Montag nicht zum Jauchzen. Dirigent Kazufumi Yamashita dirigierte das Heldenepos so statisch-exakt wie die »Euryanthe«-Ouvertüre zu Beginn, wählte durchweg sehr rasche Tempi und verzichtete auf Agogik, auf Ritardandi, auf ziemlich alles, was nicht auch ein Duracell-Hase am letzten Pult hätte problemlos abnehmen können. Man konnte meinen, das Orchester habe die Stimmen in Einzelproben zuhause mit dem Metronom bis zum get-no geübt und dann nur noch mathematisch zusammengefügt. Eine Meisterleistung an Koordination war das allemal – aber keine, die Richard Strauss imponiert hätte. Ob die Musiker, die über den musikalischen Infarkt kurz vor Schluß hinwegspielten, als sei’s eine Czerny-Etüde, die augenzwinkernden thematischen Anspielungen des Komponisten an Till Eulenspiegel, an Don Juan, an Don Quixote oder Zarathustra verinnerlicht haben? Wenn ja, gaben sie sich nicht die Blöße vor ihren Kollegen.
Das Waseda Orchester wird nun noch in Bonn und Oberhausen zu hören sein und beschließt dann seine Tournee, die es nach Salzburg, Wien, Leipzig und Berlin geführt hat, am 14. März im Théâtre des Champs-Élysées in Paris.
Martin Morgenstern