Fotos (2): M.M.
Niccolò Paganini, der sich als flammender Teufelsgeiger mit langen schwarzen Locken in die Herzen halbohnmächtiger junger Damen einschrieb. Oder ein verliebter Richard Wagner, der am Weihnachtsmorgen flüsternd siebzehn Musiker vor dem Schlafzimmer
seiner Frau versammelte, um sie mit einem eigens verfassten „Tribschner-Idyll mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang“ sanft zu wecken… Leider sind es allzu oft außermusikalische Aspekte, die bei der Meinungsbildung über ein Konzert oder ein musikalisches Werk eine entscheidende Rolle spielen. Das gilt übrigens auch für Musikinstrumente: der sagenumwobene Schmelz, die Sanglichkeit des Klangs einer Stradivari seien völlig unverwechselbar, heißt es. Umso interessanter ist es jedes Mal, wenn die Möglichkeit besteht, eine der mythenumwobenen Violinen tatsächlich live zu hören. Kann das Instrument einlösen, was der Name verspricht?
Das Programmheft für das Konzert der Neuen Elbland Philharmonie verhieß: „Als Preisträger des 10. Wettbewerbs des Deutschen Musikinstrumentenfonds in der Deutschen Stiftung Musikleben spielt Jermolaj Albiker seit März 2002 eine Geige von Antonius Stradivarius, Cremona 1703“. Und wirklich, dachte sicher so mancher, während der Solist in rasender Schnelligkeit über die Saiten flitzte, so dass der Dirigent Christian Voß Mühe hatte, das Orchester Schritt halten zu lassen: klang dieser Geigenton nicht einfach unvergleichlich? Diesen süßen, zugleich silbrigen Ton unter hunderten zu erkennen, war sich auch der beglückte Rezensent sogleich sicher. Klar, da war die Akustik der Pirnaer Marienkirche, die ein genaues Hinhören schon ab der fünften Reihe arg erschwerte, und die nicht wirklich gelungene Orchesterbearbeitung von fünf Capricen Paganinis durch Edison Denisov, die der atemberaubenden Akrobatik der Solo-Violine etwas unbeholfen-teigig zu assistieren sucht. Aber zweifellos, die mit der rechten Hand gezupften Passagen der ersten Zugabe, Paganinis Bearbeitung von „God save the King“, die klangen wie aus der Hand eines leicht bewusstseinserweiterten Xylophonisten; diese hinreißend sonoren, fein vibrierten Melodien, die Jermolaj Albiker da produzierte, das konnte doch wirklich nur…
Nein, nein, wehrt indes der junge Geiger später auf neugierige Nachfrage hin bescheiden ab. Dass dies die im Jahr 2002 gebaute Stefan-Peter Greiner-Violine gewesen sei, eine generöse Leihgabe, die er seit drei Jahren spielt, das hätte man eigentlich hören müssen. Sie klinge ja auch völlig anders. Nicht wahr?
Ja, hm. Natürlich. Nur so lässt sich ja der zupackende Gestus, die rechtschaffen knackige Ansprache und die ungeheure Klangfülle der Geige erklären. Oder hört man eben immer auch ein bisschen, was man schon zu wissen glaubt? Neugierige Besucher der nächsten Konzerte des Orchesters können sich diese Frage ja einmal stellen.
Anders Winter
Nächste Konzerttermine:
– Schloss Großenhain, 23. Februar, 19 Uhr
– Stadthalle „stern“ Riesa, 24. Februar, 18 Uhr
(Eine Textfassung des Artikels ist am 23.2.2008 in der Sächsischen Zeitung erschienen. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)