Meredith Monk, die aus Peru stammende US-amerikanische Klang- und Performance-Künstlerin, steht für ein weltweit einzigartiges Werk, das seit 45 Jahren Archaisches mit Hochkunst, Vokal-Körperliches mit High-Tech, Hörbares mit Sichtbarem zusammenbringt. Ihre besondere Vorliebe für repetitive, minimalistische Strukturen verbindet sie mit einer Vielfalt ur-vokaler und perkussiver Ausdrucksmittel.
Schon anderthalb Jahrzehnte lang fühlen sich der Vokalkünstler Theo Bleckmann und der Perkussionist John Hollenbeck der Arbeit Meredith Monks eng verbunden; als Mitglieder der Ensembles Monks oder auch mit eigenen Meredith-Monk-Interpretationen sind sie eins geworden mit dieser magischen, teils emotional tief berührenden, manchmal mathematisch, immer auch sehr unaufgeregt wirkenden Musik. Anlässlich des 40-sten Bühnenjubiläums der Ausnahmekünstlerin vor wenigen Jahren stellten Hollenbeck und Bleckmann die Gruppe Future Quest zusammen, um neue, eigene und dennoch kongeniale Zugänge zur Musik Meredith Monks zu finden.
Theo Bleckmann, vor fast leerem Haus… (Foto: M. Creutziger)
Zur Band gehören seither noch der Pianist und Organist Gary Versace sowie die Saxofonisten Ellery Eskelin und Tony Malaby gehören, beide, wie Bleckmann auch, unter Dresdens Jazzfreunden live längst keine Unbekannten mehr.
Und Future Quest ließ am Dienstag in der Gläsernen Manufaktur den Atem der Zuhörer stocken. Schon der Beginn mit „Calling“, einer 1994-er Komposition, hatte es in sich: Von der Hochtreppe aus von Bleckmann als Falsett- und Jodel-Vokalisen hinunter in die Halle gesungen, übernahm dann die Band, machte eine wuchtiges Klangstück daraus, bis Ellery Eskelin den melodischen Ablauf auf seinem röhrenden, druckvollen Tenorsaxofon übernahm und das Stück zuende brachte. Glänzend gestaltete Bleckmann mit „Wa-lai-o“ ein Stück für Solo-Gesang, gesangstechnisch präzise, stimmlich souverän , eine Balance zwischen quasi algorithmischer Exaktheit und menschlicher Emotionalität haltend.
Insgesamt standen Meredith-Monk-Kompositionen aus mehreren Jahrzehnten auf dem Programm, darunter aus der Oper „Atlas“ und solche für Solo-Instrumente, Kammermusikalisches und auch ganz Persönliches wie das „I Don’t Know!“, das die Monk anlässlich des tragischen Todes ihres Perkussionisten Colin Walcott für Solostimme und Piano geschrieben hatte. Die Arrangements von Future Quest, allesamt von Hollenbeck und Bleckmann, arbeiteten Kontraste heraus, nahmen manchen Kompositionen den Touch des Esoterischen zugunsten einer archaischen, sensiblen Wehmut, verlieh den Stücken rhythmische Kraft und, manchmal, einen erdigen Sound, ohne an Transparenz etwas zurückzunehmen. Eine besondere Rolle spielten Kraft und Improvisationsgabe der beiden Saxofonisten, aber auch das exzellente Gestaltungsvermögen Hollenbecks als Perkussionist. Und dass Theo Bleckmann weltweit der Stimmkünstler Nummer Eins der Jazzavantgarde ist, ein Sänger, dessen Ausdrucksfähigkeiten keine Grenzen kennt, wurde vorgestern eindrucksvoll spürbar. – Ein Konzert der Extraklasse.
Dass sich augenscheinlich kaum mehr als zwanzig zahlende Gäste in die Gläserne Manufaktur verirrten, ist ein Schicksal, das auch andere Veranstalter gelegentlich erleiden. Anspruchsvolles ist meist schwer zu verkaufen, zumal in Dresden. Wenn aber kaum einer in Dresden im Vorhinein vom Konzert der Hochkaräter-Band um John Hollenbeck und Theo Bleckmann wusste, muss wohl die Werbung daneben gegangen sein. „Was? Dieses giftrosa-grellgelbe Faltblatt mit den grünen Kopfhörern soll das Programm eines Festivals gewesen sein? Das sah doch bei schnellem Darüberschauen aus wie Werbung für ein Casting von Nachwuchs-Techno-DJs… Ich hab das Ding, so wie es kam, gleich in den Papierkorb geworfen…“ So und so ähnlich reagierten nicht wenige Musikfreunde, die gern gekommen wären, wenn sie von der Werbung erreicht worden wären oder sich von ihr angesprochen gefühlt hätten.
Eine Textfassung des Artikels ist am 9. Oktober in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.