Mit Nikolai Schukoff dürfte zum Abschied einer der jüngsten und sportivsten Tenöre in der Titelpartie von Wagners Bühnenweihfestspiel, das Theo Adam 1988 höchst ergriffen für die Semperoper als weihevolles Erlösungsspiel inszeniert hatte, auf der Bühne gestanden haben. Richtig keck, als käme er gerade vom Country Festival, tritt er auf. Höchst emotional vor allem im Spiel gibt er sich im zweiten Aufzug in der Auseinandersetzung mit Kundry, die krafttönend von Evelyn Herlitzius dargestellt wird. Dann endlich, ganz in Weiß und barfuß als holder Knabe im lockigen Haar erst vor grünenden Landschaften, dann vor leuchtendem Horizont, dessen Stoffbahnen dringend der Reinigung bedürfen, führt er kurz nach 22 Uhr sein Erlösungswerk zu Ende, dass um 17 Uhr begann. Und mit gefalteten Händen nimmt man die sanft tönende die Botschaft des Chores gerne wahr: „Erlösung dem Erlöser“.
Die angegraute Inszenierung lässt die Sänger nicht länger im Regen stehen (Fotos: M. Creutziger)
Er gab sein Bestes, sicher einst auch Theo Adam, aber in der Aufführung am Karfreitag verbreitet die Aufführung den Eindruck schwächelnder Müdigkeit. Sollte die Inszenierung wirklich mal spannend gewesen sein, sie vermittelt es nicht mehr. Auffällig ist der Gebrauch der „Sängerhände“, die rechte wird leicht gehoben, zur Verstärkung kommt die linke dazu, beschwörend werden mitunter beide vor der Brust zusammengeführt, oder bedeutsam wird eine Hand einem Partner auf die Schulter oder auf den Unterarm gelegt.
Die Ausstattung von Rolf Langenfass wirkt nur noch lädiert, lautstark poltert der ambulante Altar, wenn er zwecks Gralsentüllung hereingefahren werden muss, total verwelkt ist der Blütenplunder mit dem eine tapfere Brigade gereifter Zaubermädchen in nicht mal mehr zu ahnenden Choreografien den Knaben einzuwickeln suchen.
Alles nur noch ungefähr. Die Gralsritter sind müde, Amfortas der Gralskönig, den Hans-Joachim Ketelsen singt, ist ohnehin tödlich verwundet. Von Eglis Silins als Widersacher Klingsor geht in seiner Ausstaffierung, die ihn zum Herodes einer historischen Salome-Aufführung macht, wenig Gefahr aus. Jan-Hendrik Rootering gibt den grantelnden alten Gralsritter Gurnemanz.
Baumelnde Säulen im Sommerwind: es war höchste Zeit, dass dieser Parsifal abtrat
Ist es Vorsicht, ist es Ehrfurcht, ist es Abschiedsschmerz? Was bewegt den Dirigenten Asher Fisch zu solch behutsamer Herangehensweise? Natürlich möchte man das meditative Vorspiel zum ersten Akt in der hier durch die Staatskapelle gebotenen edlen Sanftheit eigentlich gleich noch mal hören. Aber dann möchte man auch mehr von den im knappen Vorspiel zum zweiten Bild anklingenden kräftigeren Akzenten hören, sie bleiben selten. Am Ende eher Erschöpfung denn Erlösung, und der Eindruck, dass die ästhetische Diskrepanz zwischen Klang und Optik ein Maß erreicht hat, das auch in einer Repertoirevorstellung, sei es die 51. nach 22 Jahren, „nach einer Inszenierung von Theo Adam“, wie der Programmzettel vermerkt, in der Semperoper nicht zu rechtfertigen ist. Frau Dr. Hessler, übernehmen Sie!
Eine Textfassung des Artikels ist am 6. April in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.