Natürlich ist so ein Abend auch ein Fest fürs Auge. Da ist viel Freude am Musizieren zu sehen, gepaart mit Lachen, pointierten Gesten und hochkonzentrierten Blicken. Allenthalben auch mit Schönheit. Doch wenn erst die Stimmen ins Spiel kommen, Töne erklingen, das musikalische Miteinander fasziniert …, dann werden die Ohren weit aufgesperrt und sind empfangsbereit für das Spezielle dieser Konzertform.
Die Rede ist von der Vocal Night der Gesangsklasse im Studiengang Jazz/Rock/Pop, die 2003 ins Leben gerufen, um Ausbildung auch unter praktischen Bedingungen erlebbar zu machen. Am Donnerstag konnte im Jazzclub Neue Tonne bereits deren 50. Folge erlebt werden. Wie stets, so auch diesmal in gelungener Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber und Gesangsprofessorin Céline Rudolph, der noch einmal für ihren Anfang Mai erhaltenen Jazz-Echo-Preis (DNN berichteten) gratuliert wurde. Als „das Echo des Echo“ pries Tonne-Geschäftsführer Steffen Wilde das Kommende an – und er hatte nicht untertrieben.
Das Echo des ECHO – Prof. Céline Rudolph (Foto: Ann Weitz)
A-capella begann die am Ende noch viel zu kurze Nacht mit einem jazzigen Chor-Arrangement zu Mendelssohns „O Täler weit, o Höhen“. Was hier einen absolut unverfälschten Eindruck von den vokalen Fähigkeiten gab, hatte sich von da an in Konzertatmosphäre mit Trio zu erweisen. Gitarrist Rüdiger Krause, Tom Götze am Bass und Schlagzeuger Demian Kappenstein bereiteten den Studentinnen einen klangschönen Boden und leiteten sie kompetent auch durch rhythmisch komplexe Situationen. Was vor allem bestach, war die Vielfalt des Gebotenen. Bearbeitete Jazz-Klassiker bewährten sich neben Pop-Hit, Chanson und Eigenkomposition, selbst die „Freiheit“ des Liedermachers Georg Danzer und der vermeintliche Standard „Speak Low“ von Kurt Weill fügten sich in das stimmliche Potpourri, das ein enormes Maß an Solidität und Originalität hörbar werden ließ.
Derart Performance macht vor allem die Komplexität der Jazz-Ausbildung erkennbar, denn nicht nur ausnahmslos reife Gesangsleistungen waren hier versammelt, sondern auch kurze Anmoderationen und der Bühnenauftritt insgesamt vermittelten viel vom Erlernten. Und trotz des einhellig zustimmenden Urteils schien ersichtlich, dass viel Wert auf die Subjektivität der Eleven gelegt wurde, um deren jeweils persönliches Potential zu fördern. Wie glücklich hier die Nachwuchspflege funktioniert, ließ sich obendrein am ehrlichen und stimmungsvollen Applaus der gut besuchten Tonne ablesen.
Nur beim improvisierten Vocal Summit, zu dem „The Pedagogues“, die Jazz-Dozentinnen Eleanor Forbes, Esther Kaiser und Céline Rudolph, einluden, hielt sich die Besucherschar dezent zurück. Angesichts der hier gebotenen Qualitäten war diese Bescheidenheit vielleicht ein Gebot der Stunde? Nach einem launigen Rausschmeißer der Lehrmeisterinnen gab es jedenfalls rundum zufriedene Gesichter – und das Publikum wurde in den Vollmond-Mai entlassen. Die nächste Vocal Night gibt es leider erst im Herbst. Bis dahin wird der Jazzclub Neue Tonne dann auf ein ansehnliches Jahrzehnt seines Bestehens gewachsen sein.
Eine Textfassung des Artikels ist am 29. Mai in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.