Noch bis zum 4. Juli 2010 wird im elbseitigen Vestibül der Dresdner Semperoper eine Ausstellung »Magie und Irritation« mit 26 großformatigen Porträtfotos von historischen Hut- und Perückenköpfen sowie Schaufensterpuppen zu sehen sein, die aus der Zeit von 1880 bis 1960 stammen. Geschaffen hat die künstlerisch hochwertigen Aufnahmen der in Dresden lebende Musik- und Theaterfotograf Matthias Creutziger, der seit 2003 als Fotograf an der Sächsischen Staatsoper Dresden (Semperoper) tätig ist.
Diese Puppen sind während ausgedehnter »Sitzungen« in den Jahren 2008 und 2009 in einer verlassenen Altbau-Mansarde aufgenommen worden. Auf eine vorherige Restaurierung altersbedingter Schäden wurde verzichtet. Weil die Puppen im Originalzustand mit zeittypischem Make Up und Kolorit fotografiert wurden, strahlen die Fotos Zeitlosigkeit aus und präsentieren die Figuren gleichermaßen auch als Zeuginnen der Belle Epoque, des Art Deco oder des New Look mit allen Facetten.
Abbildung aus der besprochenen Ausstellung
Matthias Creutzigers Kunst der Fotografie ist – wie die Ausstellung eindrucksvoll verdeutlichen wird – auch eine Kunst des Illusionierens; als Theaterfotograf ist er wie kaum ein anderer fähig, Inszeniertes mit Expressivem, und als Musikfotograf Psychisches mit Statischem zu verbinden. Damit ist Creutzigers Kunst der Fotografie weit mehr als lediglich geschicktes Abbilden – durch die Schaffung einer Illusion desillusioniert er menschliche Sehnsüchte. In gewisser Weise spiegeln die raffinierten Fotos diese Ausstellung auch das Thema wider, das bei Pygmalion im Zehnten Buch von Ovids »Metamorphosen« anklingt.
Ilsedore Reinsberg, Chefdramaturgin an der Semperoper, schreibt dazu: »Gründe und Abgründe im Anflug des Lächelns – vieldeutig, anziehend, lasziv. Oder ins Leere zielende Trauer. Selbst in der Abwendung vom Betrachtenden ein Sog – mitreißend in unsichtbare Unendlichkeit, die sich allein atmosphärisch-emotional ahnen lässt. Ihre Köpfe sind nicht heil – sie tragen den frisch geschminkten und zugleich morbiden Charme einer untergehenden Serenissima. Und sie haben nichts mit dem Ausdruck der Augen zu tun. Die atmen Lächeln inmitten des Brüchigen, senden Verstörung unter glättender Schminke. Sie sind da, sie erfüllen den Raum – unabhängig vom Wahrnehmenden. Das Auge des Fotografen hat die Puppen in diesen Zustand gesetzt, entdeckte durch sie Verborgenes und holte es ans Licht. Mit den Möglichkeiten der Technik. So hat das Wesenlose Gestalt bekommen, ohne wesenhaft zu werden.«
»Magie und Irritation«, Foto-Ausstellung Matthias Creutziger, bis 4. Juli 2010, elbseitiges Vestibül Semperoper, geöffnet vor und während der Vorstellungen sowie zu allgemeinen Führungen. Vier ausgewählte Fotos wurden von cgd Steffen Fabian auf große Plakatwände kaschiert und sind auf dem Kunstparkplatz, Theresienstraße 15, ausgestellt.