Eine solche Publikumsresonanz hat es bei einer Anhörung im Landtag lange nicht gegeben. Die Zuschauertribünen im Plenarsaal reichten nicht aus, Stühle mussten gestellt werden. Und das „nur“ bei einem Kulturthema! Unter den G& auml;sten im Rang waren freilich auch viele, die selbst als Sachverständige unten vor den Abgeordneten hätten sitzen können.
Wahrscheinlich wäre das Interesse weitaus bescheidener ausgefallen, hätten sich die Experten nur zu generellen Fragen des Kulturraumgesetzes geäußert, wie sie in einem Antrag der SPD-Fraktion von Ende März an die Staatsregierung gestellt wurden. Doch inzwischen gibt es einen alarmierenden Haushaltentwurf eben dieser Staatsregierung. Und so gerieten die ursprünglichen Fragen wie die Besetzung der Kulturbeiräte oder die Neustrukturierung der Kulturräume nach der Kreisreform in die zweite Reihe.
Das beherrschende Thema aber war und ist die im Haushaltbegleitgesetz formulierte Absicht, aus den 86,7 Millionen Euro Landeszuschüssen für die Kulturräume sieben Millionen herauszulösen und damit die Hälfte des Landesbühnen-Etats zu finanzieren. Der Freistaat würde diese Summe sparen, aber den fünf ländlichen und drei urbanen Kulturräumen ginge sie verloren. Ein Effekt, der sich teilweise verdoppeln kann, weil dann die Landkreise als Träger der Kulturräume auch ihre Umlagen für die Kulturkassen senken könnten. So krass die Folgen eher in den Gesprächen am Rande als in den Statements der Sachverständigen auch geschildert wurden, so wissen doch die wenigsten, dass es auch noch viel schlimmer hätte kommen sollen. Wie die aufmerksam zuhörende Kunstministerin Sabine von Schorlemer verriet, stand ursprünglich seitens des Finanzministers sogar eine Kürzung der Kulturraummittel um 20 Millionen Euro im Raum.
Die Ministerin resümierte nach der Anhörung aber auch, wie sensibel die Statik der Kulturraumfinanzierung sei. Das ist der eine Teil des Problems, von dem viel die Rede war. Am deutlichsten wurde Tobias Knoblich, Geschäftsführer des Landesverbandes Soziokultur und Mitglied des Sächsischen Kultursenats. Er sei „entsetzt“, dass der Gesetzgeber selbst die Systematik des viel gelobten Kulturraumgesetzes zerstöre und eine bisherige Landeseinrichtung – die Landesbühnen – zu Lasten der Kulturräume fordern wolle. Das sei eine „Rücksichtslosigkeit“ gegenüber anderen Fördergegenständen und zahlreichen von Projektförderung abhängigen kleineren Initiativen. Die seit der Verabschiedung des Gesetzes 1993 laufenden Planungs- und Strukturierungsprozesse würden über Nacht in Frage gestellt.
Auch Jürgen Uwe Ohlau als Präsident des Kultursenats warnte vor einer Aushöhlung des Geistes des Kulturraumgesetzes. Tendenziell würde das Gesetz so in ein Theater- und Orchestergesetz auf Kosten der Breite umgewandelt. Ein Vorwurf, der das Gesetz ob der Dominanz der Darstellenden Kunst von Anfang an begleitet. Praktiker wie Kulturraumsekretär Wolfgang Kalus aus dem Raum Mittelsachsen/Erzgebirge oder Beiratsvorsitzender Thomas Pilz aus dem Raum Oberlausitz/Niederschlesien wiesen darauf hin, dass bei einer Verabschiedung des Landeshaushaltes im Dezember eine verlässliche Planung für 2011 nicht möglich sei. Während sie vor allem um Soziokultur und die Breitenförderung fürchten, erklärten die zahlreich im Publikum vertretenen Intendanten der Kulturraumtheater, dass auch nur sieben Millionen Kürzungen gleichfalls das Aus für einige ihrer Bühnen bedeuten würde.
Die ehemalige Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange, nunmehr SPD-Abgeordnete, hatte in den vergangenen Wochen alle ländlichen Kulturräume besucht. Dort gewann sie den Eindruck, dass die Landräte wegen der Kürzungen der Kulturraummittel zu einer Verfassungsklage bereit sind und bereits bei Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) interveniert haben. In lockerer Runde darauf angesprochen, winkte Tillich nur lachend ab. Einer Klage räumte in der Anhörung zur Überraschung vieler auch der Jurist Thomas Starke kaum Chancen ein. Der verfassungsmäßig vorgeschriebene Mehrbelastungsausgleich für Aufgaben, die der Freistaat gesetzlich an die Kommunen überträgt, greife hier nicht. Auch eine Staatsgarantie für die Höhe der Kulturraumzuweisungen sei kaum einklagbar.
Die zweite Seite des Problems ist die Schicksalsfrage der Landesbühnen mit Stammhaus in Radebeul. Sie liegen sozusagen quer zum Kulturraumgesetz, sind weder ein reines Kulturraumtheater noch eine reine Landes-Reisebühne. „Nicht alle Kulturräume profitieren gleichermaßen von Gastspielen“, räumte Kulturwissenschaftler Klaus Winterfeld ein. Ex-Ministerin Stange plädiert deshalb für eine Mischfinanzierung. Wenn der Freistaat die Landesbühnen aber unbedingt kommunalisieren will, wie seit langem im Gespräch, dann gehören jene sieben Millionen nicht den Kulturräumen weggenommen, sondern auf den gesetzlichen Landeszuschuss draufgeschlagen, war man sich in der Landtags-Lobby einig.
Einig waren sich alle Experten auch darin, dass nun endlich ein klares Konzept für die Landesbühnen unter Einbeziehung der Stadt Radebeul und des Elbtal-Kulturraumes erarbeitet werden müsse. Im Frühsommer 2009 scheiterte ein solcher Einigungsversuch schon einmal unter anderem wegen der bevorstehenden Landtagswahl, wobei die Schuld daran zwischen Ministerium und Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche hin- und hergeschoben wird. Ein erster Radebeul-Finanzierungsanteil von 250 000 Euro war damals im Gespräch. Nun dürfe aber diese Kommunalisierung nicht schlagartig mit der Axt kommen, sondern in einem sukzessiven Anpassungsprozess, forderten die Sachverständigen einstimmig.
Eine Textfassung des Artikels ist am 17. August in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.
Foto: www.dresden-theater.de