Man kennt sie von der Opernbühne. Es ist noch nicht lange her, da feierte sie mit ihrem Rollendebüt als Grete einen sensationellen Erfolg in Franz Schrekers Oper „Der Ferne Klang“ am Zürcher Opernhaus in der Regie des auch in Dresden bekannten Jens-Daniel Herzog. Man schätzt sie auf den sie Konzertpodien der Welt, sei es in der Königsdisziplin des Liedgesanges, in unterschiedlichen kammermusikalischen Varianten, mit romantischem Repertoire großer Orchesterliederzyklen oder in der sensiblen Gestaltung spiritueller Partien in Oratorien und geistlicher Musik. Gerade ist sie wieder unterwegs mit einem Liederabend, derzeit gerade in Spanien.
Die Rede ist von der Sopranistin Juliane Banse, die als Kind in Zürich Violine spielte und Ballettunterricht nahm, zum Gesangsstudium nach München ging, von ihren Lehrerinnen Brigitte Fassbaender und Daphne Evangelatos so gut ausgebildet wurde, dass für sie mit ihrem Debüt als Pamina in Mozarts „Zauberflöte“, im Alter von 20 Jahren an der Berliner Komischen Oper eine Weltkarriere begann.
Jetzt fügte Juliane Banse ihrem künstlerischen Wirken gänzlich neue, besondere Akzente hinzu. Sie singt und spielt die Agathe in dem Opernfilm „Hunter´s Bride“ – Der Freischütz des Dresdner Regisseurs und Produzenten Jens Neubert, der heute abend seine Weltpremiere in der Dresdner Nacht der Oper feiern wird bevor er dann bald weltweit in die Kinos kommt.
Die Partie der Agathe in Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ hatte Juliane Banse zuvor erstmals in einer Bühnenversion des Multikünstlers Robert Wilson im Festspielhaus Baden-Baden verkörpert. Im Gespräch berichtet sie von den total gegensätzlichen Erfahrungen und von der großen Freude darüber, im Film endlich einmal die vielen Facetten der Agate zum Ausdruck bringen zu können. Dass sie diese Rolle im Film auch sprachlich und darstellerisch viel intensiver interpretieren kann als auf der Opernbühne liegt an den besonderen Möglichkeiten, sowohl im Studio als auch in der freien Natur oder in historischen Gebäuden zu arbeiten. Für Juliane Banse beflügelten die Freiheit der Natur oder die Traditionen der historischen Räume im Dresdner Marcolini-Palais die Fantasie ungemein.
Zählte beispielsweise bei Robert Wilson die Genauigkeit der Geste, so lässt der Film wesentlich extremere Formen der Darstellung zu. Auf der Bühne muss eine Sängerin beim Sprechen der Dialoge auch die Ökonomie einer ganzen Aufführung beachten, sie kann die Stimme nicht zu stark belasten und kurz darauf hauchfeine Passagen im Piano singen. Da bot die Arbeit im Film ganz andere Möglichkeiten. Hier muss die Agathe nicht so eindimensional sein, hier kann sie gewissermaßen richtig aufdrehen, auch darstellerisch sich in extreme Bereiche begeben.
Der Film mit seiner Arbeitsweise, mit den Schnitttechniken und Überblendungen macht so etwas möglich. Es ist ja, so Juliane Banse, auch kein traditioneller Opernfilm, der eine Bühnenversion ins Studio verlegt, bzw. eine Inszenierung ab filmt. Nein, hier ist wirklich eine Filmoper entstanden. Beide Genres werden ernst genommen, beide Medien verbinden und verbünden sich, die Bühne aber ist die Welt mit den originalen Orten, an denen Carl Maria von Weber in und bei Dresden, etwa in den Landschaften der Sächsischen Schweiz, seine Erfolgsoper zunächst im Herzen bewegte, konzipierte und komponierte. Uraufgeführt wurde sie dann aber in Berlin und war sofort dermaßen populär dass Heinrich Heine spottete die Berliner Damen würden in der Frühe mit dem Jungfernkranz erwachen und am Abend mit dem Jägerchor zu Bett gehen.
Der Regisseur Jens Neubert hat die Filmoper in die Zeit ihrer Entstehung verlegt. Nicht die Folgen des 30jährigen Krieges, wie im Original, sondern die Ereignisse der napoleonischen Befreiungskriege geben den Hintergrund für die spannenden Geschichten menschlicher Nöte und Verirrungen aufgrund von Zwängen und Konventionen. Dabei, so Juliane Banse, kann es auch drastisch werden, es gibt knallharte Szenen, die nicht immer unbedingt jugendfrei sind.
Diese Filmarbeit mit den neuen Erfahrungen im Umgang mit dem Medium Oper möchte die Sängerin nicht missen, und ohne Einfluss auf ihre weitere Arbeit an neuen Partien wird diese Zeit, auch wegen der Aufenthalte in und um Dresden, nicht bleiben.
In Dresden gibt Juliane Banse ihr Operndebüt allerdings nun auf der Leinwand, in der Semperoper zu singen war ihr noch nicht vergönnt und Pläne für die Zukunft gibt es derzeit nicht. Aber der Wunsch ist da, auf jeden Fall, und vielleicht hilft das Wünschen ja. Andernorts warten demnächst sehr interessante Aufgaben in der Oper. So wird sie schon im Oktober als Tochter ihr Rollendebüt in der Oper „Cardillac“ von Paul Hindemith an der Wiener Staatsoper geben. Wiederum ein Rollendebüt folgt im April des kommenden Jahres an der Staatsoper Stuttgart als Blanche in „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc.
Ansonsten ist die Künstlerin darauf bedacht zu befolgen, was ihr die verehrte Lehrerin Brigitte Fassbaender mit auf den Weg gab, das ausgewogene Verhältnis zwischen der Bühne und dem Podium und den eingangs benannten Genres zu beachten. Das lässt sich nicht immer gänzlich einhalten, aber im Grunde versucht Juliane Banse schon ihrer großen Liebe, der Oper, regelmäßig jene Disziplinen so entgegen zu setzen, dass für alles seinen angemessenen Raum einnimmt in den Verpflichtungen eines Jahres. So ist es sicher auch bislang bestens gelungen die Stimme vor Überlastungen zu bewahren, und in Einklang mit dem natürlichen Prozess der Reifung belastbarer werden zu lassen. So ist es gut möglich im Konzertsaal nach dem Zyklus „Vier letzte Lieder“ von Richard Strauss jetzt auch Wagners „Wesendonk-Lieder“ zu singen.
Fachmäßig ist auf der Opernbühne jetzt mit der die Partie der Arabella in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss ein gewisser Höhepunkt erreicht. Von hier aus ist es nun dank technischer und darstellerischer Reife möglich die Partie der Elsa in „Lohengrin“ oder die der Eva in „Die Meistersinger von Nürnberg“ zu singen. Aber andere, dramatischer grundierte Wagner-Partien, kommen nicht in Frage. Da zählt die Verantwortung vor dem Geschenk der Gesangsstimme und gegenüber dem Publikum mehr als die oftmals sehr kurzlebige Sensation. Dann lieber noch einen Ausflug ins italienische Fach, da könnte sich Juliane Banse vorstellen die Partie der Mimi in „La Bohéme“ zu singen. Und sollte es ein Angebot geben, die Marschallin in „Der Rosenkavalier“ zu singen, dann könnte sie jetzt gerne und guten Gewissens zusagen.Natürlich ist eine so komplexe Partie, was Text und Musik angeht, einer der Wünsche, im Hinblick auf die Zukunft.
Jetzt aber steigt die Spannung im Hinblick auf die Dresdner Uraufführung des Films. Und gegenwärtig ist es der größte Wunsch, über dieses Medium Menschen zu erreichen und damit zu überraschen, dass zum einen manch „alte“ Geschichte – so sie denn gut erzählt wird – so alt gar nicht ist, dass es von so befreiender wie beglückender Wirkung sein kann, sich emotional einmal so richtig überrumpeln zu lassen. Das nämlich, da ist sich die Sängerin sicher, kann die Oper, mit Musik, mit Bildern, mit Geschichten, und vor allem Emotionen, die den Horizont des Alltags durchbrechen. Und wenn die neue Filmoper „Hunter´s Bride“ – Der Freischütz das auch könnte, es wäre der beste Lohn für die intensive Arbeit vor der Kamera; mit Jungfernkranz, Jägerchor und beispielsweise den wunderbaren Arien der Agathe, gesungen von Juliane Banse, die sich mit Sängern wie Franz Grundheber, Michael Volle, Michael König, René Pape, Olaf Bär und dem Rundfunkchor Berlin in hochkarätiger Gesellschaft befindet zu der das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Harding aufspielt.
Eine Textfassung des Artikels ist am 1. September in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.