Das diesjährige Pianoforte-Fest-Meissen ist seit Mittwoch beendet. Im Gymnasium St. Afra fand das Abschlusskonzert statt. Seit Juni hatte es insgesamt 10 Abende mit Klaviermusik gegeben. Fünf dieser Abende wurden von Pianisten asiatischer Herkunft gestaltet, was zumindest zu interessanten Vergleichen einlud, nicht aber zwingend zu einem Urteil über den "Markt" führt. Feststellen läßt sich, dass die meisten dieser Musiker hervorragen in Ost und West ausgebildet wurden und zumeist eine illustre Biografie vorweisen.
So auch die Japanerin Hisako Kawamura, die etwa den ARD-Musikwettbewerb und den Clara-Haskil-Concours gewonnen hat. Am Ende zählen jedoch nicht die erworbenen Meriten, sondern das Erlebte im Konzertsaal – Hisako Kawamura spielte in der Aula des Landesgymnasiums ein klassisch-romantisches Programm und löste hohe Erwartungen leider kaum ein. Dabei begann sie mit zwei dynamisch gut ausbalancierten Choralvorspielen von Bach in der Busoni-Bearbeitung, wobei der ruhige Choralfluss noch intensiver, auch barocker gestaltet vorstellbar wäre. Eine Beethoven-Sonate folgte, später Brahms und Chopin, somit gleich drei berühmte Säulen der Klavierliteratur.
Hitzig hastete Kawamura durchs Programm, für Spielkultur blieb keine Zeit (Foto: Ariga Terasawa)
Beethovens Sonate Es-Dur Opus 31/3 gilt als vermeintlich "kleine" Sonate und anfangs ging Kawamuras Konzept auf, das Stück in eine Haydnsche Leichtigkeit zu versetzen. Das jedoch hätte zumindest Graziösität und Farbenreichtum verdient, was Kawamura ebensowenig anbot wie Beethovens Hakenschläge in der Harmonik auszugestalten. Stattdessen setzte sie auf Virtuosität und einen Tempoturbo, der bald das ansonsten liebenswerte Stück aus den Fugen geraten ließ: nach-hören, atmen, inszenieren, empfinden, all diese pianistischen Tugenden ließ sie in der hitzigen Hast von Allegro, Scherzo und Finale außer acht, nur das Menuett nutzte sie zum (notwendigen) Innehalten.
Ähnlich gleichgeschaltet wirkten die vier späten Klavierstücke Opus 119 von Johannes Brahms. Auf guter rhythmischer Basis angelegt, versagte die Interpretation dort, wo die eigentliche Kunst des Brahms-Spiels beginnt: in der Anschlagskultur. So wurden etwa die Final-Akkorde gründlich als äußerlicher Kraftakt missverstanden. Wo aber Kraft keinerlei Spannung überträgt, Haupt- und Nebenstimmen nicht getrennt sind und nur Ton neben Ton planvoll gesetzt ist, teilt sich der Zauber dieser Stücke nicht mehr mit.
Im zweiten Teil des Konzertes gab es jedoch eine Steigerung, offenbar lagen der Japanerin die Werke von Frédéric Chopin mehr: die b-Moll-Sonate konnte im Largo durchaus klangschön überzeugen, während Kawamura die Außensätze wieder ihrer technischen Brillanz widmete. Damit lag sie hier zumindest nicht falsch, jedoch teilte sich ein tieferes Interpretationsverständnis der Sonate nicht mit: der Trauermarsch "passierte" einfach ohne weitere Nachwirkungen zu verursachen. Schönster Beitrag des Konzertes waren dann ausgerechnet die Drei Mazurkas Op. 59 in leichtfüßiger Schlichtheit und kantabler Auszeichnung. Beim abschließenden Scherzo Op. 39 war die Konzentration überbeansprucht, Fehler schlichen sich ein, die die Pianistin mit wuchtigen Passagen auszugleichen versuchte. Angesichts der bereits demonstrierten Klasse des Festivals war dieses Konzert nicht der qualitativ hochwertige Abschluss, den man sich erhofft hatte.
Eine Textfassung des Artikels ist am 4. September in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.