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Strehlen jazzplodiert!

Die gestrengen Sphinxen im Bühnenhimmel des Strehlener Königshofes zuckten am Montag Abend rhythmisch mit den Pfoten: zum Auftakt der Dresdner Jazztage liess das Tingvall Trio den Ballsaal erbeben. Ein "elementares Hörerlebnis" hatten die Veranstalter versprochen – das löste das Trio ein, und mit allen Schikanen. Der kubanische Bassist Omar Rodriguez Calvo brillierte da angstfrei mit fehlerlosen Doppelgriffpassagen. Jürgen Spiegel tanzte neben den ausgetretenen Schlagzeugwegen, bediente freimütig auch Hackbrett oder – ehm, ja, ein brummtopfähnliches Instrument. Und der komponierende Kopf des teuflischen Trios, Martin Tingvall, betätigte das arme Salonklavier, dass einem ganz schwummerig wurde: humorvoll, Zunge raus, die Beine ausgestreckt, raste er über die Tasten. Betätigte für "Movie" irgendwelche schweren Stahlhämmer im unteren Register. Spielte in "Angsthai" mit den Nerven der Zuhörer. Und zeigte in "Jenseits", dass er sich auch auf schmermütige bis pathetische Kost exzellent zuzubereiten versteht.

Versteht sich auch auf die Zubereitung schwermütiger Kost: Martin Tingvall (Foto: PR)

Sicher, der Abend war etwas schwerfällig in die Gänge gekommen. Ein Designersofa, das "der Nachwuchsförderung dienen soll" (so bequem sah’s gar nicht aus) hatte nach mehreren Fehlanläufen endlich einen neuen Besitzer gefunden; diese ließen sich von Festivalchef Kilian Forster lange, zu lange mit ihrer Neuerwerbung feiern.

Als die Musiker dann endlich auf die Bühne durften, stieg das Karmalevel schnell wieder: energetisch preschten die Klavierläufe Tingvalls los, das Schlagzeug wirkte wie von unsichtbaren Mächten getrieben. So stieg die musikalische Dichte, bis der "Trolldans" explodierte und man die fiesen kleinen Derwische in Formation über die Ballsaalbühne hüpfen sah. Calvo, Spiegel, Tingvall gingen ab wie Selma, der Kater des Pianisten, der die Kompositionen angeblich immer als erstes hören darf und als strenger Kritiker gilt.

Einen besseren Auftakt für das teilweise aus-, teilweise aber noch recht schlecht verkaufte kleine Festival hätte man sich nicht wünschen können. Der Erfolg der stilistisch vielfältig auskragenden Folgeveranstaltungen wird jedenfalls darüber entscheiden, ob und wenn ja in welcher Dimension die Jazztage im nächsten Jahr stattfinden werden.

Eine Textfassung des Artikels ist am 3. November in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

Nächstes Dresdner Jazztage-Konzert:
"Wunderkammer". Michael Wollny – Klavier
Freitag, 5. November, 18 Uhr – Societätstheater
Karten (18-24 EUR): Tel. 8627390

www.jazztage-dresden.de