Der Kulturpalast-Architekt Prof. Wolfgang Hänsch reicht Urheberrechtsklage gegen die Stadt Dresden ein. Er sieht durch die Umbaupläne seinen ursprünglichen Entwurf verletzt. Stattdessen sollte die Stadt, so Hänsch, ihr "engstirniges Denken" aufgeben und sich für die Sanierung des Kulturpalastes und den gleichzeitigen Neubau eines Konzerthauses einsetzen. Martin Morgenstern hat mit dem Architekten gesprochen.
Wogegen richtet sich Ihre Klage?
Ja, sicher. Die Klage richtet sich in erster Linie gegen das Unternehmen, einen funktionsfähigen Mehrzwecksaal zu zerstören, um einen Konzertsaal einzurichten. Das ist doch ein frevelhaftes Unternehmen. Die Stadt ist dabei, einen unverantwortlichen Schildbürgerstreich zu begehen. Der Umbau steht nicht im Gesamtklang der Melodie des Hauses.
Sie sehen also das Urheberrecht an Ihrem Entwurf verletzt?
Seit Jahren wird dieser Umbau vorbereitet, ohne mich und die anderen Autoren einzubeziehen. 2005 hat die Stadt Dresden eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die die Sanierung des jetzigen Saales überprüfen sollte. Mit Raumakustikern haben wir damals den Nachweis erbracht, dass dabei auch die Akustik des Saales durch einfache Baumaßnahmen außerordentlich verbessert werden könnte. Damals hatte die Stadt die nötigen 40 Mio. Euro jedoch nicht. Ein Jahr später wurde die WOBA verkauft, auf einmal war also ganz viel Geld da. Man verwarf die Sanierungspläne und suggerierte dem Stadtrat fälschlicherweise, dass es für den Einbau eines neuen Konzertsaals Fördermittel geben würde.
Die Thematik ist bereits seit einiger Zeit bekannt – wieso kommt die Klage jetzt?
Die Frage ist berechtigt. Wir hatten angenommen, dass sich die Stadt eines besseren besinnt. Aber das Maß ist jetzt voll. Sicher, die Klage kommt spät. Aber wir haben sie ins Laufen gebracht.
Gehen Sie mit der Klage ein finanzielles Risiko ein?
Damit muss man rechnen. Das Problem ist, dass das Gericht die Problemstellung nicht versteht. Es gehört fachlicher Verstand dazu, im jetzigen Entwurf, der ja an sich eine gute Lösung ist, eine Entstellung des ursprünglichen Palastes zu sehen.
Die Stadt Dresden könnte sich auch auf kommunale Beschlüsse zurückziehen, die nicht mehr anfechtbar sind.
Vor der Beschlussfassung wäre es nötig gewesen, dass man einmal über den Tellerrand hinausblickt und die Lage der beiden in Dresden ansässigen Orchester, der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie, besser beleuchtet. Leider kümmert sich das Land wenig um die große Tradition der Staatskapelle. Der Gedanke, ein neues Konzerthaus für beide Orchester zu bauen, hat weder bei Stadt- noch Landespolitikern bisher eine große Rolle gespielt. Städte wie Luzern mit 60.000 Einwohnern haben sich für einen Konzerthaus-Neubau entschieden, bekanntlich mit Riesenerfolg. So etwas sieht man in Dresden nicht. Es ist das engstirnige Denken, was mich so furchtbar aufregt.
Spielen bei Ihrer Begründung Kostenfragen eine Rolle? Die Stadt redet sich damit heraus, dass ein Umbau billiger wäre als ein Neubau.
Um ihre Pläne umsetzen zu können schreckt die Stadt nicht zurück zu behaupten, die Sanierung wäre teurer als der Umbau. Welchem Bauexperten will sie das weismachen? Diese Lösung ist doch schöngerechnet, das kann man ganz elegant machen. Wir sind der vollen Überzeugung, dass ein neues Konzerthaus eine kostengünstigere Lösung darstellen würde als der jetzt geplante Umbau des Palastes plus Umbau der Messe, der ja folgen müsste, um größere Veranstaltungen der "leichten Muse" aufzunehmen.
Haben Sie Unterstützung durch die beiden Orchester?
Die Staatskapelle ist auf unserer Seite, und viele namhafte Musiker haben sich mit ihr zu einem Neubau bekannt. Der Verein "Dresdens Erben" ist auf unserer Seite, wie auch der Förderverein der Konzerthaus-Stiftung e.V. Auch mit dem künftigen Chefdirigenten der Staatskapelle, Christian Thielemann, habe ich gesprochen. Er ist ebenfalls für die Konzerthaus-Lösung.
Die Philharmonie dagegen ist euphorisch, den Umbau aus eigener Kraft zu schultern. Ursprünglich wollte das Orchester auch ein großartiges Haus haben. Es ist klar: ich höre ja Musik nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen. Insofern war die Philharmonie früher nie für den Umbau, sondern für einen Neubau. Aber das hat sich geändert.
Befürworter des Umbaus wie der Philharmonie-Intendant Anselm Rose argumentieren nun, mit dem Einbau des neuen Konzertsaals habe man quasi die Taube in der Hand statt – mit einem Konzerthausbau in weiter Ferne – den Spatz auf dem Dach…
Die Umbaulösung soll die Taube sein? Herr Rose bekommt noch nicht einmal den dringend benötigten Kammermusiksaal.
2008 wurde der Kulturpalast unter Denkmalschutz gestellt. Sehen Sie die Schutzrichtlinien durch den Saalneubau verletzt?
Der Denkmalschutz betrifft nicht nur die Hülle, sondern das gesamte Haus. Überhaupt, wie kann ich den Palast unter Denkmalschutz stellen und dann das Herzstück so grundlegend verändern?
Wie wird es weitergehen, nachdem Sie nun Klage einreichen?
Ich kann das überhaupt nicht einschätzen. Die Stadt Dresden ist ganz großartig im Aussitzen von Problemen. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass der Umbau so nicht zu machen ist. Der Bund Deutscher Architekten hat bei der Stadt vorgesprochen und gefragt, warum man die Autoren des Palastes nicht einbezieht. Man hat das damals zugesichert, aber getan hat sich nichts. Wir streben jedenfalls einen Planungs- und Baustopp an.
Welche Umgestaltungen wären aus Ihrer Sicht machbar, ohne das Urheberrecht zu verletzen?
Es gilt, die Grundstrukturen des Saales zu erhalten. Die große, 33 Meter breite Bühne muss in ihren Abmessungen reduziert werden, damit die kurzzeitigen Reflektionen zum Orchester zurückkommen. In der Mitte des Parketts und der Mitte des Ranges sind die akustischen Einflüsse von der Seite zu mager. Diese Seitenreflexionen müssen besser bedient werden, dafür sind Umbauten nötig – und auch möglich.