Das leise Entsetzen stand Matthias Goerne nach den ersten Tönen des "Schildwache"-Liedes ins Gesicht geschrieben. "Ich kann und mag nicht fröhlich sein", begann er – angesichts des nur mäßig gefüllten Kulturpalastes und den sängerischen Anstrengungen, die hier in den folgenden elf Mahler-Liedern aus "Des Knaben Wunderhorn" vor ihm lagen, wohl eine verständliche Regung. Aber dann winkte der Dirigent Ingo Metzmacher die Philharmonie in die Mahlersche Umlaufbahn, und die Musiker – unter der sorgfältigen Interims-Leitung eines Aushilfe-Konzertmeisters – leisteten fantastisches.
Ob es um düstere Todessehnsucht, gemischt mit ruhigem Gottvertrauen ging ("Urlicht") oder um die skurrile Fischpredigt des Antonius von Padua, um den schwätzerischen Wettstreit von Kuckuck und Nachtigall in "Lob des hohen Verstandes" oder zuletzt die Klage des Tambourgesellen – das Orchester wusste Goerne, der sich seinerseits zunehmend mit dem Riesensaal anfreundete, stets die passende Klangfärbung beizugeben. Herrlich geputzt glänzten allen voran die Holzbläser, insgesamt wirkte das Ensemble kompakter als sonst; vielleicht auch, weil man Metzmacher ausnahmsweise die von Hausherr Frühbeck de Burgos ungeliebte "deutsche" Orchesteraufstellung angeboten hatte, die Kontrabässe ergo neben den ersten Geigen platziert waren, die ihrerseits mit den zweiten Geigen den Klang dialogisch rahmten. Goerne durfte in diesem Mahlerklang baden, und wenn auch manchmal kleine Wellen über ihm zusammenschlugen und seine Stimme überdeckten: Bravorufe und Getrampel belohnten den Bariton, der dem Publikum wiederum mit einem Lied dankte.
Auch wenn einige Zuhörer offensichtlich meinten, da könne nun wohl nichts darüber, und sich die nur reichlich halbstündige zweite Konzerthälfte schenkten: mit der 1949 beendeten Dritten Sinfonie des "inneren Exilanten" Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) bewies das Orchester erneut ausgezeichnete Form. Ein längeres Kontrabass-Solo (Benedikt Hübner) führte in das wechselblüterisch-vieldimensionale Werk; und wiederum vieldeutige Klangzaubereien vom Solistenquartett bis ins gesamte "Große Orchester", das das Werk im Titel vorsieht.
Eine Textfassung des Artikels ist am 7. März in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.