Der Fußballer des Jahrhunderts, Pelé, gehört zu ihnen; Fidel, wie die Kubaner ihren ‚Comandante en Jefe‘ nennen, oder Heintje: Ihr Ruhm ist so groß, dass sie keines Nachnamens mehr bedürfen. Im Monatsprogramm der Dresdner Musikhochschule ist denn für Samstag ein Meisterkurs Violine angekündigt. "Leitung: Midori" steht da.
Was halb Marke, halb liebevoller Kosename ist, erinnert uns heute auch an die Schattenseite einer typischen Wunderkindkarriere. Midori hasst diese Bezeichnung, aber wie anders will man diesen Werdegang nennen: 1971 in Osaka geboren, begann sie bereits im frühesten Alter, Geige zu spielen, zunächst unter der Anleitung ihrer Mutter. Als Vierjährige hatte sie ihren ersten Auftritt, als Sechsjährige spielte sie die vierundzwanzig Paganini-Capricen, die manche Geiger bis zum Ende ihres Lebens nicht meistern. 1982, als Zubin Mehta sie das erste Mal spielen hörte, lud er die Elfjährige als Überraschungssolistin für das traditionelle Silvesterkonzert der New Yorker Philharmoniker ein. Ein Weltstar war geboren.
"Einfach Midori" hieß dann das Buch, das die Geigerin 2004 schrieb, und das in seiner Ehrlichkeit viele Fans verstörte. Sie hatte sich damals in die Psychiatrie einweisen lassen, litt an Magersucht und schweren Depressionen, war tablettenabhängig. Schritt für Schritt stellte sie nun ihren Beruf, ihr Leben auf eine gesündere Grundlage, studierte Psychologie, gründete die Stiftung "Midori & Friends", die New Yorker Kindern kostenlosen Musikunterricht ermöglicht. Nach wie vor konzertiert die vierzigjährige Geigerin, die dieses Jahr – und dieses Jubiläum mag eben auch ein Warnzeichen sein – bereits ihr dreißigjähriges Bühnenjubiläum feiert. Ihre aufrüttelnde Lebensbeichte erscheint dieser Tage in einer aktualisierten Neuauflage.
Wer könnte also besser Violinstudenten künstlerisch und vielleicht auch karrieretechnisch besser beraten als Midori Gotō? Vier Stunden lang wird sie die Dresdner Studierenden coachen; am Freitag Abend spielt sie selbst ein öffentliches Recital im Konzertsaal der Hochschule, begleitet von dem Pianisten Özgür Aydin. Auf dem Programm stehen Werke von Antonín Dvorák, Johannes Brahms, György Kurtág und Ludwig van Beethoven.
Eine Textfassung des Artikels ist am 12. Januar 2012 in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.