In den achtziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts begann das Dresdner Gewerbehausorchester, regelmäßig im neuerrichteten Konzertsaal an der Herzogin Garten zu spielen. Zeitgleich machte das "Boston Symphony Orchestra" auf der anderen Atlantikseite seine ersten Schritte. Zu dessen fünfzigstem Geburtstag überreichte Paul Hindemith den Musikern sein "Opus 50", eine zweiteilige Konzertmusik. Schwere, blockartig intonierende Blechbläser und sanfte Streicher stehen sich dort wie alte und neue Welt gegenüber; Holzbläser, die vermitteln könnten, fehlen. Nun soll ein Geburtstagsgeschenk dem Jubilar ja möglichst gefallen. Hindemith ließ daher die schroffen Klänge, mit denen das zwanzigminütige Werk beginnt, bald fasslicher, moderater werden, gab schließlich noch ein patriotisches Trompetensolo über silbrig wehenden Streichern dazu.
Solcherart besänftigt, wollten sich die Zuhörer im fast ausverkauften Kulturpalast dann gern der Schwelgerei hingeben. Für Bruchs Violinkonzert, das bis heute alle anderen Werke des Komponisten überstrahlt, war die in Amerika aufgewachsene Sarah Chang angereist. Als Fünfjährige hatte sie das Werk zur Aufnahmeprüfung für die Juilliard School gespielt und war angenommen worden. Unzählige Male muss sie es seitdem aufgeführt haben, und beim Zuhören fragte man sich leise: konnte sie selbst diese Musik überhaupt noch hören? Wer ob ihrer in allen Regenbogenfarben schillernden Garderobe oder der manierierten Art, nach Schlussnoten mit dem Bogen zu fuchteln, lieber die Augen schloss, hörte wenig Inspirierendes. Vibrato gab sie gern, schnell und viel. Aber ihre unorganischen Temposchwankungen erwischten die gutmütig begleitende Philharmonie schon mal auf dem falschen Fuß. Nur kurz leuchtete im Mittelsatz der verträumte, warme Geigenton auf, der das Konzert so berühmt-berüchtigt machte.
Aber da war ja noch die zweite Konzerthälfte, und in der durfte man sich nun wirklich in den weichen Polstern zurücklehnen und zuhause fühlen. Während Rafael Frühbeck de Burgos die Beethovensche Schicksalssinfonie als allwissender auktorialer Erzähler durch biografische Bitternisse steuerte, genoss der Saal den Besuch des früheren Chefdirigenten einfach nur. Im Gegensatz zum spritzigen, oft sehr subjektiven Beethovenbild des Ersten Gastdirigenten Markus Poschner, der diese Musik seziert, Lichtspots auf einzelne Stimmen setzt und sich einem epischen Ölgemälde-Klang des "Meisters" verweigert, war das hier einfach nur – wie es ein beglückter Zuhörer im Anschluss formulierte – "eene Legge."
Eine Textfassung des Artikels ist am 6. Februar in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.