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Virtuelles Orchester in einer Lichtskulptur

Foto: Klaus Gigga

„Es ist eine Anti-Oper“, so beschreibt Sven Sören Beyer „Neither“, die Morton Feldman nach dem Libretto von Samuel Beckett 1976 komponierte. Zuvor hatten sich Komponist und Autor in Berlin gegenseitig versichert, dass sie Opern ohnehin nicht leiden können. Ganze 87 Worte, die auf eine Postkarte passten, schickte Beckett als Libretto. „Mit dieser Oper haben die beiden das Musiktheater revolutioniert“, so Beyer weiter: „Für uns ist es aber schon eine Art historische Aufführung, eine klassische Oper.“ Eine Oper, die den künstlerischen Leiter des Berliner Künstlernetzwerks phase 7 schon eine ganze Weile reizte. Das Festspielhaus Hellerau schien dem gebürtigen Dresdner und Absolventen der Palucca Schule der ideale Ort für eine zeitgemäße Umsetzung. „Wir übersetzen ‚Neither’ ins digitale Jetzt des Jahres 2012.“ Modernste Licht- und Soundtechnik kommt dabei zum Einsatz. Den extrem hohen Sopran, den Feldman in die Partitur schrieb, singt die Norwegerin Eir Inderhaug. Das Orchester, das sie dazu begleitet, ist aber ein virtuelles., in den vergangenen Monaten in Berlin eingespielt.

72 Lautsprecher sind fast kreisförmig um das Publikum geordnet. „Kein Dolby Surround, wie wir das aus dem Kino kennen, sondern tatsächlich dreidimensional erlebbar wird der Orchesterklang sein“, versichert der musikalische Leiter Christian Steinhäuser. Anfangs sei die Sängerin irritiert gewesen, weil sie nicht auf die Musiker habe eingehen können – dafür aber ist der Orchesterklang immer gleich, keine Schwankungen in den Tempi, niemand, der sich verspielt – durchaus ein Vorteil bei Morton Feldmans enorm schwieriger Partitur mit mehreren Tempiwechsel pro Takt. Der Herausforderung für die Ohren haben Beyer und Steinhäuser eine Verführung für die Augen entgegengesetzt. „Neither“ ist keine Handlungsoper, außer der Sopranistin gibt es keine agierenden Personen auf der Bühne; dafür erschafft phase7 eine Architektur aus Licht – keine effekthaschende Lightshow, sondern in ein dunkler Raum, in dem sich gleißend weißes Licht bricht. Spiegel und Nebel verstärken den Effekt und ergänzen den dreidimensionalen Klangmit einem betörenden visuellen Erlebnis. „Am Ende“, so Sven Sören Beyer, „weiß der Zuschauer nicht mehr, wo er sich befindet“ – im Beckett-Feldman’schen „Neither“ – im unbestimmten „Weder“. Das „Noch“ wird sich finden.

„Neither“, am 2. und 3. März, 20 Uhr in HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Karten zu 15/7 EUR unter 0351-8627390