"Ritsch ratsch" und "plitsch plitsch" singt der Kinderchor, und: "schwubbsdiwubbs, wutsch futsch…" Was ein ambitionierter Aprilscherz der Philharmonie hätte sein können, entpuppt sich als überbordend reiche, inspirierende neue Komposition von Jörg Herchet: eine "Kantate zum 5. Sonntag nach Trinitatis", in Auftrag gegeben vom Orchester, feierte am Samstag ihre Uraufführung im Kulturpalast.
Der Protagonist des neuen Werkes ist – der Kulturpalast, man kann es kaum anders sagen. Es ist, als wolle der altgediente Mehrzwecksaal noch einmal mit allem pranzen, was er hat: da öffnet sich die Bühnenrückwand und gibt den Blick frei auf einen Süskind'schen Heroen (Peter Krauß – Kontrabass), dann strömen rotweißgekleidete Mädchen wie Guppies aus den Seitentüren und in die Ränge, und die Philharmoniker schwärmen ihrerseits in den Saal aus und werfen sich aus verschiedenen Ecken die Netze, pardon, die Töne zu…
Wer die Aufführungen am Wochenende verpasst haben sollte, sei unbedingt und dringlichst auf den Dienstagabend verwiesen. Dann sendet MDR Figaro ab 20.05 Uhr die Aufzeichnung des überwältigend vielschichtigen Werks. Schade natürlich, dass das Werk nicht auch optisch aufgezeichnet wurde. Die geschickte Dramaturgie, die "Personenregie" von Herchet und seinem Librettisten Jörg Milbradt werden so nur zu erahnen sein. Und danach unbedingt weiterhören: die Interpretation der Tschaikowskischen "Pathètique" ist ebenfalls sensationell. Michael Sanderling hat die Sinfonie von aller Patina befreit – wohl verweigert er dem Orchester nicht die schwelgerischen, die gutgelaunten Passagen, aber dann hören wir den Protagonisten im dramatisch aufbäumenden Todeskampf, der so gar nichts pittoreskes mehr hat. Das Publikum am Samstagabend schwieg ganz entgeistert, nachdem der letzte Ton verklungen!