Der April macht, was er will. Solche Tage wird Dresden nie mehr vergessen. Das nach dem Stadtjubiläum 2006 von allen gesuchte und mit nur geringer Stimmkraft vorgeschlagene Motto „800 Jahre sind genug“ scheint nun Realität werden zu können. Nach acht problembeladenen Jahrhunderten zeichnet sich eine Lösung für (fast) alle Querelen ab. Quasi zeitgleich zu den Laibach-Attacken vom 1. April – kein Scherz: erst Filmvorführung „Iron Sky“ im Kino Schauburg, dann Autogrammstunde der Filmmusikanten, abends Exklusivkonzert in der Reithalle – bemühten sich inspirierte Experten um Endlösungen.
Das Uralt-Orchester Sächsische Staatskapelle (gibt seit ewigen Zeiten keine Ruhe, musiziert seit 1548 ohne erkennbare Pause, wahrhaftig ein Weltrekord!) wird ins Salzburger Land verpflichtet und spielt fortan zu den österlichen Festspielen auf. Für den Rest des Jahres übernimmt es Tourneen und Plattenverträge. Die wesentlich jüngere Dresdner Philharmonie verschmilzt mit Radebeul, Riesa und Resten des Rundfunks, den Kulturpalast braucht es fortan nicht mehr, der wird mit barocken Fassaden verblendet. Zur Eröffnung stimmt Laibach von der Kuppel der Frauenkirche die „Kunst der Fuge“ an, wahlweise auch das „Dresdner Amen“; die Ureinwohner fallen rhythmisch ein. Das bringt den Post-Bähr-Bau zum Einsturz und lässt die Hoffnung auf einen Neubau von Konzert- und / oder Gewandhaus so sprunghaft wie kurzzeitig anwachsen.
Mit den Trümmern wird nun auch die Waldschlösschenbrücke barock übertüncht, was zum Rückstau der Elbe bis ans Riesengebirge führt. Das Geld dafür kommt aus dem Verkauf von Anteilsscheinen für den Rückbau des Rathauses. Dessen Generalsanierung hatte sich bereits Anfang des Jahres als Millionengrab erwiesen, weswegen einzelne Stadtratsfraktionen schon mal im Wiener Loch nach Öl bohren wollten. Da sich die Koalitionäre noch weniger als die Oppositionellen darauf einigen konnten, wie das ungeahnte Sprudeln gewinnbringend umgesetzt werden sollte, gab man die Konzession einem US-amerikanischen Immobilien-Fonds in die Hand. Der legte per außergerichtlichem Schirmpilz eine Schrägbohrung an, wie sie an den europäischen Börsen und Parlamenten gerade in Mode ist. Daraufhin schlossen sich Prießnitz und Weisseritz zusammen, um die Elbe zu fluten. Diesem Eindruck hielt der Sächsische Landtag nicht stand und verlegte sich umgehend in gewohnte Bahnen, also zu neuen Ufern. Er findet seine Ruhe künftig bei zünftigen Osterfestspielen im sorbischen Land.
Dass es in Dresden trotz allem nie so ganz still werden wird, liegt wahrscheinlich am Beharrungsvermögen des Kreuzchores. Der hat sein Stiftungskapital zwar kommunal eingebüßt, nährt sich aber redlich von sprudelnden Zinsen – und singt und singt und singt.
Also erst einmal bis nächsten Freitag, denn heute soll im sächsischen Kleinstaat ja religiös verbrämte Ruhe herrschen. In den vergangenen Tagen gab es aber doch nochmal heftig Tumult, um alle erdachten April-Scherze zu konterkarieren. Mit hauchdünner Mehrheit wurde beschlossen, den sogenannten Kulturpalast zu „einem echten Mittelpunkt unserer Stadt“ umzuschulden, wie sich die oft nur noch „O weh“ genannte OB zu formulieren bemühte. Für dieses Delikt werden tatsächlich die Stiftungsvermögen von Kreuzchor und Sozialarbeit angegriffen, als „stille Einlage“ – über die Rechtmäßigkeit solcher Kapitalverbrechen werden vermutlich juristische Instanzen entscheiden. Dennoch scheint nun erst einmal denkbar, dass ein architektonisch ziemlich austauschbares Plagiat („Weinberg“) im denkmalgeschützten Original ein Dresdner Zentrum werden kann. Ein Menetekel, direkt neben dem Bähr'schen Riesenei, in dem Ludwig Güttler letzte Woche die Matthäus-Passion vor Touristen musizieren ließ. Dresdner hören das Werk ausschließlich am Karfreitag, und dann in einer anderen Kirche.