Die Eröffnung am Dienstag: Curtis Symphony Orchestra mit Brahms. Ein Kammermusik-Marathon am Donnerstag: Curtis Symphony Orchestra mit Brahms und Beethoven, Haydn und anderen. Das Tanztheater am Freitag: Curtis Symphony Orchestra mit Bernstein und Bartók. Und das Motto der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele: „Herz Europas“. Dabei sitzt das 1924 gegründete Curtis Institute of Music doch in Philadelphia, Pennsylvania, im Osten der USA. Und doch war der jugendliche Klangkörper, dessen Musikerinnen und Musiker zwischen 14 und 22 Jahre jung sind, in diesen Tagen „Orchestra in Residence“ der Vogler-Tage in Dresden.
Vielleicht wurden die mit Vollzeit-Stipendien ausgestatteten Studiosi ja als Herzschrittmacher in die Alte Welt gelockt, jedenfalls gaben sie hier nicht nur gefeierte Konzerte, sondern erwiesen sich sogar schon als Mentoren. Eine Reihe von Schülerinnen und Schülern des Heinrich-Schütz-Konservatoriums werden es ihnen sicherlich danken.
Vor allem aber hat sich an dieser elitären Bildungseinrichtung ein erstklassiges Orchester geformt, das – hier unter der musikalischen Leitung von Robert Spano – vor europäischem Herzbluten keinerlei Bange haben muss. Denn es ist vor allem eins: Ganz bei der Sache. Egal, ob Brahms, Bernstein oder Bartók auf den Pulten liegt – die jungen Musikanten versuchen ihrem Anspruch gerecht zu werden, unter den Besten die Besten zu sein. Ausgeprägtes Klangbewusstsein, hohe Spielkultur und ungebremste Energie dürften die Markenzeichen von Curtis sein. Und dennoch geht es lebendig zu, sind die Orchestermitglieder aufgeregt und legen auch mal einen Patzer hin. Mit einem Lächeln wird er weggebügelt, kein Problem.
Fragwürdiger scheint da eher die Monothematik beim Eröffnungskonzert gewesen zu sein. Mit der Frage „Lieben Sie Brahms?“ hätte der Abend treffsicher überschrieben sein können – und wären die sogenannten Grußworte von lokal- und regionalpolitischen Rednern gewiss ebenso rasch wieder vergessen. In deutlichem Kontrast zu deren nichtssagender Blässe stand der expressive Ansatz, mit dem Robert Spano durch Festouvertüre, Doppelkonzert und Zweite Sinfonie zu steuern anhob. Mit geringfügig eingesetzten Zäsuren wäre er dem Klangraum der Frauenkirche mit etwas mehr Mulmfreiheit gerechter geworden. So aber waren zahlreiche Ansätze vom vorangegangenen Ausklang noch überlagert. Über diverse Feinschliffe, die intonatorisch da noch möglich gewesen wären, täuschten auch diese Nachhall-Verwirbelungen nicht hinweg. Den Solisten Ray Chen und Jan Vogler an Violine und Cello flogen die akklamatorischen Sympathiebekundungen dennoch sehr reichlich zu.
Bei „Let's Dance!“ in der Messe war der Cellist dann wieder ganz in seinem Amt als Intendant der Musikfestspiele und sagte dem Residenz-Orchester schon einmal Dank. Denn mit der „Fanfare für Sam“ von David Ludwig – der 1972 geborene Enkel von Rudolf Serkin hat mit diesem filmreifen Stück Musik Samuel Barber gehuldigt, der Curtis 1934 verließ –, den Sinfonischen Tänzen der „West Side Story“ von Leonard Bernstein und dem Konzert für Orchester von Béla Bartók verabschiedeten sich die Jungstars vom Delaware River schon wieder von ihrer Residenz an der Elbe. Aber sie untermalten einen Höhepunkt im diesjährigen Festspiel-Programm. Denn nach Strawinskys „Feuervogel“ von vor zwei Jahren hat Choreograf Royston Maldoom einmal mehr Dresdner Schülerinnen und Schüler für das Tanztheater begeistert. Er schrieb ihnen zu diesem bewegenden Konzertstück aus Bartóks New Yorker Exil nicht weniger als die Lebensgeschichte des Ungarn in die Körpersprache hinein.
Das kam beim zahlreichen Publikum sehr gut an. Der Impuls, der vom „Herz Europas“ ausgeht, ist schon längst nicht mehr auf den Kontinent beschränkt, sondern rückt Alte und Neue Welt wenigstens kulturell ein Stück näher zusammen.