Jan Lisiecki wurde seinem Ruf, ein Interpret mit auffallend poetischem Spiel zu sein, beim Klavierrecital im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele auf Schloß Wackerbarth gerecht. Bachs Präludium und Fuge Nr. 14 fis-Moll (BWV 883) spielte er sensibel, als müsste er ein Kind beruhigen, dabei blieb er trotzdem temperamentvoll. Mit bemerkenswert feiner Dynamik machte er sich die Stücke zu eigen, baute durch ständige, aber nicht störende sanfte Crescendi und Decrescendi eine konzentrierte Spannung auf.
Lisieckis Finger spielen so unabhängig und genau, als gehörten sie nicht zum selben Körper, vollkommen konzentriert und natürlich. Dabei bleibt sein Gesichtsausdruck entspannt, eventuelle Aufregung ist ihm nicht anzumerken, selbst bei schwierigen Passagen. Stets behält er die Ruhe, folgt seinem eigenen Tempo, das beispielhaft beharrlich wirkt. Hier und da versucht er es mit zaghafter Dramatik, wird dabei moderat enthusiastisch. Beschwingt rezitierte der junge Kanadier auch Chopins „Études op.25“; das „Presto“ gefährlich rasant, ohne zu stürzen. Wenn vorher der Eindruck eines eher weichgespülten Interpreten aufgekommen sein sollte: hier der Gegenbeweis. Ohne sich zu verlieren, interpretierte Lisiecki wild, kraftvoll, wütend. Erfreut vom herzlichen Applaus, bedankte sich der Pianist mit Chopins Minutenwalzer aus dem Op. 64 Nr.2.