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Von Cosels Tochter zum Gralsritter

Ohne Schwan kein Lohengrin… (Fotos: Bäumler)

Wenig ist von dem stattlichen Großgraupaer Herrensitz auf einem Vorwerk mit „scheffereyen, fyhezocht und weyn gartten“ überliefert. Genutzt, vielleicht auch bewohnt haben könnte ihn der Oberfalkenmeister am Sächsischen Hof, Heinrich von Friesen mit seiner jungen Frau Auguste Constanze von Cosel, die er 1725 geheiratet hatte. Vom Namen der Tochter August des Starken und Gräfin Cosel dem Anwesen geliehene Prominenz dürfte gegenüber einer aktuellen zurücktreten, spätestens wenn sich am 12. Januar 2013 das neue Richard-Wagner-Museum im frisch sanierten Graupaer Jagdschloss dem Publikum öffnet.

Der Festakt zu diesem Ereignis bildet gleichzeitig den Auftakt der Wagner-Stätten für das Jubiläumsjahr 2013. Der Hofkapellmeister hatte bei einem Sommeraufenthalt in Graupa die Komposition zum „Lohengrin“ skizziert. Den Text im Gepäck, zur Musik inspiriert durch die wundervolle Umgebung, schwärmte Wagner bei einer Wanderung zu den Dittersbacher Höhen: „es lohengrint in mir“. Ob der Sommerurlauber jemals das Jagdschloss Graupa betreten hat, ist nicht bekannt; den Schlosspark dürfte er durchwandert haben.

Schwammbefallenes Lohengrin-Haus

Dem Ort Graupa, den Wagner im Jahre 1881 noch einmal mit Cosima und Kindern besucht hatte, stiftete der Leipziger Wagnerliebhaber Max Gaßmeyer 1907 seine Wagner-Devotionaliensammlung und begründete damit eine Gedenkstätte. Seitdem pilgern Wagner-Verehrer ins einstige Schäfersche Großbauernhaus in der Ortsmitte, das fortan zum „Lohengrin-Haus“ wurde. Wagner hatte dort 1846 zur Sommerfrische drei Monate lang mit seiner ersten Gemahlin Minna logiert (Dresdner Neuesten Nachrichten v. 16.9.1936; Quelle: SLUB). Kernstück der nach Hausschwammsanierung und Rekonstruktion des Anwesens seit 2009 erneuerten Ausstellung sind die beiden von den Wagners ehemals bewohnten Räume. Es ist die älteste erhaltene und museal genutzte Wohnstätte Wagners, neben Bayreuth die einzige in Deutschland.

Schloss-Historie

Die Jahreszahl 1666 als Bauabschluss auf dem Friesenschen Wappen an der südlichen Giebelseite des Schlosses weist auf seine Entstehung in vorbarocker Zeit. Der für ein Vorwerk mit landwirtschaftlichen Aufgaben ungewöhnlich große repräsentative Bau hatte von Anfang an besondere Funktionen, bis er Ende des 18. Jahrhunderts ausdrücklich zum Jagdschloss avancierte, das den Namen „Raupenberg“ trug. Friedrich August III. – seit 1806 König von Napoleons Gnaden – hatte Pillnitz zu seinem Hauptsitz erkoren und alle von ihm veranlassten Umgestaltungen und Erweiterungen auf diesen Raum konzentriert; Graupa ausdrücklich eingeschlossen.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts minderte sich die Inanspruchnahme der Liegenschaften durch den Hof. Das Jagdschloss wurde Amtssitz zunächst des Revierförsters, im 20. Jahrhundert dann der Gemeinde Großgraupa. Deren Eingemeindung 1999 nach Pirna mit Auszug von Bürgermeister und Verwaltung stellte die Zukunftsfrage für das Schlossgebäude, das zudem dringend einer Generalsanierung bedurfte. Eine letzte Instandsetzung hatte 1982 mit Kosten von 60.000 Mark stattgefunden.

Endlich ein Wagner-Schloss

Der Pirnaer Stadtrat bekannte sich 2006 mehrheitlich dazu, der Projektidee „Richard-Wagner-Stätten Graupa“ zu folgen und die Sanierung und Rekonstruktion des Jagdschlosses mit dessen Ausbau zur Unterbringung des Richard-Wagner-Museums zu verbinden. 2008 begann das Bauen, für das nach Fertigstellung im Herbst 2012

die Gesamtsumme einschließlich der Seitengebäude, der Neugestaltung des Schlosshofes, der Sanierung von Teich und Terrasse sowie der Herstellung der Stellplätze sowie der Ausstellungsgestaltung von 5,3 Millionen Euro ausgegeben sein wird. Dafür wurden die Mittel aus dem Stadthaushalt durch Fördermittel und Zuwendungen aus dem Konjunkturpaket, der ILE-Förderung, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Landesstelle für Museumswesen, dem Kulturraum Elbtal-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und privaten Zuwendungen aufgefüllt.

Erdung von Wagner mit Wärme

Das Pirnaer Architekturbüro Hoffmann & John bekam die schwierige Aufgabe, ein historisch wertvolles Gebäude mit Denkmalsubstanz innen zu einem sehr modernen Museum auszubauen. Dazu noch, es energetisch zu optimieren, wozu künftig zum Heizen Erdwärme aus dem Boden gezogen wird. Im Äußeren wurde der Schlossbau weitgehend nach dem Bauzustand der Mitte des 18. Jahrhunderts rekonstruiert und mit einer barocken Fassung versehen. Wie die Balkenkonstruktion jener Zeit erhalten ist, kamen in die Dachhaut auch wieder markante Fledermaus-Gauben. Im Inneren ist der für damalige Repräsentationsbauten typische, zentrale sandsteinerne Treppenaufgang jetzt in neuer Konstruktion an die Seite gelegt. Er

Der sandsteinerne Treppenaufgang

erschließt einen Konzert- und Veranstaltungssaal für gut 90 Besucher in der vormaligen „Beletage“, die in Gemächer für die Jagdgäste unterteilt war. Zugunsten der Akustik des neuen Saales wurde dessen Decke um etwa 70 Zentimeter angehoben. Bei den Restaurierungsarbeiten aufgefundene Wandmalereien mit floralen und Landschaftsmotiven sind so weit wie möglich offengelegt, die Kreuzgewölbe aufgefrischt.

Multimedial mit Klangdusche

Die sechs Museumsräume im Erdgeschoss werden „wagnerianisch“ gestaltet mit Wandbespannung in samtenen Farben der Purpurskala. Jedem Raum wird ein Thema zugeordnet sein: Wagner in Sachsen – Libretto – Komposition -Theater und Bühne – Orchestergraben – Wagner-Rezeption. Auch kann sich der Besucher nach Gedankenkomplexen von Wagner durch die Ausstellung führen lassen. Er bekommt dazu beim Eintritt eine Art Scheckkarte für die multimedialen Pulte, die für Begriffspaare wie „Liebe-Hass“ oder „Fluch-Erlösung“ und andere kodiert ist. Mit solcher aktueller Präsentationstechnik „wollen wir künftig verstärkt auch die jüngere Generation mit der Musikwelt des Komponisten vertraut machen,“ sagen die Macher der Ausstellung, von denen zu nennen sind: Michael Hurshell, Dozent der Musikhochschule Dresden; Sabine Saft, welche die Wagner-Stätten leitet; und schließlich Christian Mühne und Katja Pinzer-Müller, wissenschaftliche Mitarbeiter und die Ausstellungsgestalter Büro Helmstedt, Schnirch, Rom.

Ambitionierte Absicht ist es, mit einem neuen Wagner-Rezeptionszentrum wissenschaftliche Forschung auf Basis des umfangreich angesammelten Archivmaterials zu betreiben. Eine Mediathek dafür ist bereits im Seitengebäude vorgesehenm wie auch Stipendiaten-Wohnungen im „Lohengrin-Haus“. Auf dass diese Saat aufgehe, empfängt die künftigen Besucher des Wagner-Museums im Jagdschloss schon beim Betreten eine erfrischende Klangdusche der populärsten Wagner-Melodien. 

 

Wagner-Stätten in Graupa

• Lohengrin-Haus, Dienstag bis Sonntag 10 bis 16 Uhr
• Jagdschloss, Führung am Denkmaltag, 9. September 2012, 11 bis 14 Uhr
• Wagner-Kulturpfad im Schlosspark, Wagner Bronze-Büste von Richard Guhr
• monumentales Wagner-Denkmal Richard Guhrs im nahen Liebethaler Grund