Der Urlaub ist zu Ende. Schön war´s im Bayerischen Übersee, ein Katzensprung wäre es bis Salzburg gewesen, zu dem ich aber nicht ansetzte. Stattdessen Salzburger Festspiele im Fernsehen; meine Begeisterung hielt sich allerdings in Grenzen. Eine so langatmige wie letztlich langweilige Neuinszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ mit sparsamen musikalischen Höhepunkten. Auch nicht gerade spannend die „Ausgrabung“, „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss in der seinerzeit durchgefallenen Uraufführung von 1912 in Stuttgart, als Mischform aus Schauspiel und Oper, von der schon Strauss selbst nicht überzeugt war. Der Komponist ließ für die inzwischen durchgesetzte Fassung von 1916 das Schauspiel weg, komponierte ein Vorspiel und schuf mit der Partie des Komponisten eine seiner schönsten Hosenrollen. Mitunter ist Vergessen eine Gnade! Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass „Ariadne auf Naxos“ auch weiterhin ohne Schauspiel funktionieren wird.
Die Übertragung der Oper „La Bohème“ in eine gegenwärtige Szene junger Menschen ist nicht neu. Das klappt mitunter auch ganz gut. Vor ein paar Jahren gelang der aus Dresden stammenden Regisseurin Solvejg Franke eine umwerfend gute Übertragung des Werks, indem sie es in einer musikalischen Kammerfassung (Cello, Flöte und Klavier) in einem angesagten Club der Berliner Szene im Prenzlauer Berg spielen ließ. Junges Publikum, junge Protagonisten, das Geschehen hautnah: ich war begeistert, die Erinnerungen sind ungetrübt gut.
In der ersten Salzburger Festspielproduktion dieser Puccini-Oper überhaupt sollen die Protagonisten auch jung sein. Also müssen gestandene Stars sich punkig benehmen; na ja, das klappt mit Hindernissen. Auch wenn man der inzwischen 40jährigen Anna Netrebko in Kostüm und Maske als gereifte Mutter von Lisbeth Salander nicht so ganz abnehmen will, dass sie in ihrer Freizeit Blumenmuster sticke und sich immer selbst das Essen koche: gesanglich ist ihre Mimi über jeden Zweifel erhaben. Und wenn man die Pfiffe der Spatzen richtig deutet, dann können wir uns demnächst auf ihr Dresdner Operndebüt freuen. Nicht als Mimi, sondern im Wagnerfach; Thielemann machts möglich!
Zurück in Dresden erwartet mich ein Event an der Elbe. Eine Welturaufführung ist angekündigt, die erste „Unterwasseroper“, zehn Jahre nach der Flut, Singen unter Wasser. Tatsächlich taucht eine Sängerin ab, lässt sich dabei filmen und per Hydrophon ihre Töne und das Blubbern ihrer Luftblasen ans Ufer übertragen. Aber bis es soweit ist, spielt sich die „Unterwasseroper“ weitestgehend über Wasser ab, am Ufer, auf einem Kanu, die Protagonisten bekommen schon mal nasse Füße. Leider spielt die vom Dresdner Veranstalter, dem Kunstfestival „ORNÖ“, gestellte Technik nicht mit. Man sieht singende oder deklamierende Protagonisten auf einer Leinwand, aber man hört sie nicht. Stummfilm mit Blubbern.
Das Projekt der Berliner schwimmenden Sängerin Claudia Herr mag in einem Stadtbad funktionieren. Die Dresdner Flusslandschaft jedoch hat ganz andere Dimensionen. Das hätte man wissen können, oder man hätte länger proben müssen, oder…jedenfalls geht die ganze Unterwasseroper baden und es bleibt die heitere Erinnerung an plätschernden Dilettantismus. (Und ist es nicht immer schon verdächtig, wenn der Veranstalter vorher dem Publikum die besonderen technischen Schwierigkeiten des Projektes meint erklären zu müssen?) Wie hieß es so überschwänglich, vor zehn Jahren habe die Elbe mit uns gespielt, jetzt wolle man mit ihr spielen. Die Elbe indes wollte nicht mitspielen.
Das Ganze fand vor der Saloppe statt. Oberhalb, in der Freiluftwirtschaft, auf der kleinen Bühne, wird ab Mittwoch Carl Orffs kluge Bauerntochter einen König heiraten, ihren Vater aus dem Gefängnis holen, ein kleines Eselchen seiner Mutter und deren rechtmäßigen Besitzer wieder geben und ihren Gatten, den König, in einer Kiste entführen. Alles um nachzuweisen, dass „Die Kluge“ sich nur verstellt habe, denn klug sein und lieben könne man nicht zugleich. Wie klug es war, ausgerechnet zugunsten dieses Typen die Klugheit zu beurlauben, wird sich zeigen in der Neuproduktion der Serkowitzer Volksoper. Eine freie Operntruppe, die sicher alle Mühe hat, sich über Wasser zu halten und hoffentlich trotzdem noch lange nicht daran denkt abzutauchen.
Herzlich, bis Montag,
Boris Gruhl