Zu ihrem 3. Kammerabend am 13. November 2012 bot die Staatskapelle Dresden einem kleinen Ensemble von Musikern und Tänzern die Möglichkeit, ein extra Programm zu Ehren von John Cage aufzuführen, der am 5. September dieses Jahres 100 Jahre alt geworden wäre. Interessant dabei: Einige Kompositionen (nicht die von Cage selber) gingen über das rein Hörbare hinaus und bezogen Visuelles mit ein. Leitfaden war möglicherweise John Cages Aussage: »Klänge sind nur die Schaumblasen auf der Oberfläche der Stille. Sie platzen und sind nicht mehr.«
Erster Programmpunkt: Erwin Schulhoff mit seinem Stück »In Futurum«. Diese Komposition, Teil der »Fünf Pittoresken für Klavier«, wies den überwiegend in Prag lebenden Künstler als eine Art Vordenker in Sachen Stille und dieses Werk als Vorläufer von Cages berühmten »4:33« aus. Interpretiert wurde »In Futurum« von den »stillen« Perkussionisten Christian Langer und Dominic Oelze unter Einbeziehung einer Live-Visualisierung von Hartmut Dorschner und Matthias Härtig.
Die Uraufführung von »Jiddu«, ein Werk von Hartmut Dorschner, geriet zum Höhepunkt des Abends, war eine Zusammenführung von doppelter Perkussion (Langer und Oelze), gewonnen aus der Sprachrhythmik einer Rede des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti, Live-Tanz (Johanna Roggan, Maik Hildebrandt) und interaktive Bild-Projektion (Dorschner und Härtig). Die visuelle Gestaltung wurde mit einer von Frieder Weiß entwickelten speziellen Software und weiteren digitalen Hilfsmitteln realisiert. Dabei werden Klänge analysiert und an die von den Tänzern gesteuerten Bilder gekoppelt. Schließlich entstand auf diese Weise eine direkte Verbindung zwischen dem Klang der Schlagwerker, den symbolisch-ausdrucksvollen Bewegungen der Tänzer und dem visuellen Kunstwerk als Live-Projektion.
Sogar John Cage hätte hier staunen können.
Von John Cage selbst steuerten für diesen Kammerabend die Programmmacher die Stücke »The Perilous Night« (1943/1944), »Tossed as It is Untroubled« (1943), »The Unavailable Memory of« (1944), »Trio« (1936) für drei Schlagzeuger und »Credo in Us« (1942), bei, die teils in bearbeiteter Form aufgeführt wurden. Begeistern konnte dabei ganz besonders »The Perilous Night«, deren Sätze 2, 4 und 6 für Schlagzeug-Duo bearbeitet worden waren. Diese Komposition markiert auch einen entscheidenden Punkt in Cages eigener Biografie, denn er schuf sie 1944, in einer Lebensphase, in der er sich von seiner Frau Xenia trennte. Das Stück, so John Cage, drücke »die Einsamkeit und den Terror aus, der entsteht, wenn Liebe unglücklich wird.«
Ungewollt irritierend dagegen wirkte mit »Credo in US« das Abschlussstück des Kammerabends. Dass hier bei der Live-Hereinnahme eines gerade laufenden Radioprogramms zufällig ein Fußball-Beitrag in die wilden Klänge dreier Schlagzeuger und der Pianistin (Johanna Zmeck) einfloss, mag von manchem Dresdner Konzertbesucher nur im Kontext einer speziellen Bedeutung gehört worden sein, entspricht aber einfach nur der großen Rolle, die John Cage der Freiheit im Gestaltungsprozess beimaß. Hätte das Radio in dem Moment einen Beitrag zum Grunzverhalten von Warzenschweinen gesendet, wäre die Irritation kaum halb so groß gewesen. Cage: »Ich verstehe nicht, warum Leute Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten.«